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Brunetti 13 - Beweise, daß es böse ist

Brunetti 13 - Beweise, daß es böse ist

Titel: Brunetti 13 - Beweise, daß es böse ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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wieder diese verbale Allzweckwaffe, die das Italienische aus dem Englischen entlehnt hatte, um einen Anspruch geltend zu machen, für den es in der eigenen Sprache zuvor nicht einmal ein Wort gab. Falls die Verteidigung sich mit ihrer Argumentation vor Gericht durchsetzen konnte (was Brunetti für nicht unwahrscheinlich hielt), dann mußte die Staatsanwaltschaft sich geschlagen geben, denn sowie das entscheidende Beweismittel gegen sie wegfiel, würden alle, die sich schuldig bekannt hatten, ihr Geständnis umgehend widerrufen.
    Ihre Arbeitsstelle hatten sie ohnehin alle behalten, weil, wie die Anwälte geltend machten, eine Entlassung angesichts eines verfassungsmäßig garantierten Rechts auf Arbeit verfassungswidrig gewesen wäre. »Das reinste Tollhaus«, murmelte Brunetti vor sich hin und entschied, es sei an der Zeit, Feierabend zu machen.
    Zu Hause angekommen, stellte er fest, daß Paola Wort gehalten hatte, denn die Düfte, die ihm beim Betreten der Wohnung entgegenschlugen, vereinten sich zu einer köstlichen Komposition aus Meeresfrüchten, Knoblauch und etwas, das er nicht genau bestimmen konnte, vielleicht Spinat. Brunetti stellte die COIN-Tüte mit dem schmutzigen Jackett neben der Tür ab und ging in die Küche, wo Paola bereits mit einem Glas Wein und einem Buch am Tisch saß.
    »Also«, sagte er, »verrate mir, was du liest.«
    Sie blickte ihn über die Lesebrille hinweg an und sagte: »Etwas, wofür wir uns beide sehr interessieren sollten, Guido: Chiaras Religionslehrbuch.«
    Brunetti ahnte gleich, daß diese Einleitung nichts Gutes verhieß. Trotzdem fragte er weiter: »Wieso denn wir?«
    »Weil es uns die Augen öffnet über die Welt, in der wir leben«, antwortete sie, ließ das Buch sinken und trank einen Schluck Wein.
    »Kannst du mir ein Beispiel geben?« Brunetti trat an den Kühlschrank und entnahm ihm die offene Weinflasche. Es war der gute Ribolla Gialla, den sie bei einem Freund in Corno di Rosazzo gekauft hatten.
    »Zum Beispiel das Kapitel hier« - Paola deutete auf das aufgeschlagene Buch - »über die sieben Todsünden.«
    Brunetti hatte oft gedacht, es sei sehr praktisch, daß man für jeden Wochentag eine Sünde zur Auswahl habe, aber den Gedanken behielt er vorerst lieber für sich. »Und?« fragte er.
    »Und ich habe mir überlegt, wie es kam, daß unsere Gesellschaft sie gar nicht mehr als Frevel ansieht oder es zumindest geschafft hat, sie weitgehend vom Ruch der Sünde zu befreien.«
    Brunetti zog sich einen Stuhl heran und setzte sich ihr gegenüber, bereit zuzuhören, auch wenn ihn das Thema nicht besonders interessierte. Er hob sein Glas und trank ihr zu. Der Wein war so vorzüglich, wie er ihn in Erinnerung hatte. Danken wir also Gott für guten Wein und gute Freunde und nicht zuletzt für eine Ehefrau, die sich selbst durch ein Religionslehrbuch für die Mittelschule zum Polemisieren anregen ließ.
    »Denk nur an Wollust«, fuhr sie fort.
    »Mach ich oft«, sagte er mit einem anzüglichen Grinsen.
    Paola überhörte den Einwurf geflissentlich. »In unserer Jugend war die vielleicht keine große Sünde mehr, aber doch wenigstens noch eine halbe; zumindest sprach man nicht darüber und praktizierte sie auch nicht in der Öffentlichkeit.
    Heute dagegen begegnet sie dir überall, im Kino, im Fernsehen, in den Illustrierten.«
    »Und findest du das schlimm?« fragte er.
    »Nicht unbedingt. Aber eben anders. Vielleicht ist Völlerei ein besseres Beispiel.«
    Ah, das geht auf mich, dachte Brunetti und zog ein wenig den Bauch ein.
    »Heutzutage werden wir ständig dazu animiert. Du brauchst nur eine Illustrierte oder die Zeitung aufzuschlagen.«
    »Und die animieren zur Völlerei?« fragte er verdutzt.
    »Nicht nur aufs Essen bezogen«, erwiderte sie, »sondern ganz allgemein zum übermäßigen Konsum oder der Anschaffung von Dingen, die wir gar nicht brauchen. Oder was ist der Besitz von mehr als einem Fernseher, einem Auto, einem Haus anderes als eine Form der Völlerei?«
    »So habe ich das noch nie betrachtet«, antwortete er ausweichend und ging wieder zum Kühlschrank, um sich noch ein Glas Wein zu holen.
    »Nein, ich auch nicht - bis ich anfing, dieses Buch zu lesen. Da wird Völlerei mit Eßsucht gleichgesetzt, und damit hat sich's. Aber ich habe mir überlegt, was so ein Triebverhalten in einem größeren Kontext bedeuten könnte.«
    Das, dachte Brunetti, war absolut typisch für seine Frau, in die er immer noch rasend verliebt war: Immerfort betrachtete sie etwas - wenn

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