Brunetti 13 - Beweise, daß es böse ist
vielleicht nützlich gewesen wären, machten gerade Urlaub. Und so beschloß er abzuwarten, was Lallis Nachforschungen ergaben, bevor er weitere Gewährsleute einschaltete. Als diese Entscheidung gefallen war, ging er nach unten, um nachzusehen, wo Vianello blieb.
15
V ianello war noch gar nicht im Haus. Dafür stieß Brunetti, als er aus dem Bereitschaftsraum kam, unversehens mit Scarpa zusammen. Nachdem der Tenente sich zunächst unter beredtem Schweigen auf der Schwelle aufgebaut und Brunetti den Weg versperrt hatte, trat er schließlich mit den Worten beiseite: »Das trifft sich gut, Commissario. Ich hätte Sie nämlich gern gesprochen.«
»Bitte«, gab Brunetti kurz angebunden zurück.
»Vielleicht in meinem Büro?« schlug Scarpa vor.
»Tut mir leid, aber ich muß wieder nach oben«, sagte Brunetti, der nicht gewillt war, seinem Widersacher diesen Terrainvorteil zu gönnen.
»Ich denke aber, es ist wichtig, Commissario. Es geht nämlich um den Battestini-Mord.«
Brunetti setzte eine unverbindliche Miene auf und fragte gelassen: »Ach ja? Und was weiter?«
»Diese Signora Gismondi«, raunte der Tenente düster, offenbar entschlossen, nicht mehr preiszugeben.
Obwohl der Name Brunettis Neugier weckte, sagte er nichts. Nach einer langen Weile machte sein hartnäckiges Schweigen sich bezahlt, und Scarpa fuhr fort: »Ich habe die Bänder aus unserer Telefonzentrale abgehört und bin dabei auf zwei Anrufe gestoßen, in denen sie ihr unmißverständlich droht.«
»Wer wird von wem bedroht, Tenente?« fragte Brunetti barsch.
»Na, Signora Battestini von der Gismondi.«
»Per Telefonanruf bei der Polizei, Tenente? Erscheint Ihnen das nicht auch ein wenig unbesonnen?«
Er sah, wie Scarpa um Selbstbeherrschung rang, sah es an den verkniffenen Mundwinkeln und der Art, wie er sich auf den Ballen wiegte und die Fersen um einige Millimeter vom Boden hob. Wie mochte es einem wohl ergehen, wenn man in einer Konfrontation mit Scarpa unterlag, dachte Brunetti, und die Vorstellung behagte ihm ganz und gar nicht.
»Wenn Sie sich die Zeit nehmen und in die Bänder reinhören würden, Commissario, dann verstünden Sie wohl eher, was ich meine«, versetzte Scarpa gereizt.
»Kann das nicht warten?« fragte Brunetti, seinerseits merklich gereizt.
Offenbar empfand Scarpa es schon als Genugtuung, Brunettis Gleichmut erschüttert zu haben, denn er antwortete hörbar entspannter: »Wenn Sie sich lieber nicht davon überzeugen wollen, wie die Person, die das Opfer nach eigener Aussage als vermutlich letzte lebend gesehen hat, dieses mit dem Tode bedroht, dann ist das Ihre Sache, Commissario. Ich meine allerdings, daß ein solcher Fund mehr Aufmerksamkeit verdient hätte.«
»Wo sind sie?« fragte Brunetti schroff.
Scarpa stellte sich absichtlich dumm. »Wo ist was, Commissario?«
Brunetti juckte es in den Fingern, aber er bezwang sich. Wobei ihm allerdings bewußt wurde, wie oft er in letzter Zeit den Wunsch verspürt hatte, Scarpa zu ohrfeigen. Er hielt Patta für einen selbstgefälligen Opportunisten, dem fast jedes Mittel recht war, um seine Stellung zu verteidigen. Aber es war eben dieses »fast« oder vielmehr die sich darin offenbarende menschliche Schwäche, die Brunetti davor bewahrte, eine tiefer gehende Abneigung gegen den ViceQuestore zu entwickeln. Scarpa dagegen war ihm verhaßt, ja er schreckte so vor ihm zurück, wie er sich gescheut hätte, einen finsteren Raum zu betreten, dem ein übler Geruch entströmte. Während man jedoch in dunklen Räumen meist Licht machen konnte, hielt der Commissario es für unmöglich, Scarpas Innenleben zu beleuchten; und wenn man doch in ihn hineinschauen könnte, dann würde einem vermutlich grausen vor dem, was man zu Gesicht bekäme.
Brunetti schwieg so eisern, daß Scarpa abermals klein beigeben mußte. »Im Labor«, nuschelte er, wandte sich um und steuerte auf die Hintertreppe zu.
In den Laborräumen im Keller war von Bocchese keine Spur, aber der durchdringende Nikotingeruch ließ vermuten, daß er noch nicht lange fort war. Scarpa blieb vor einer Holztheke stehen, auf der neben einem Kassettenrekorder zwei Neunzig-Minuten-Bänder lagen, beide mit Datum und Signatur.
Der Tenente griff nach einer Kassette, warf einen Blick auf das Archivkürzel und schob sie in den Rekorder. Dann stülpte er sich Kopfhörer über die Ohren, betätigte die Wiedergabetaste, lauschte ein paar Sekunden, drückte auf STOP, ließ das Band vorlaufen und hörte abermals hinein. Nach drei
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