Brunetti 13 - Beweise, daß es böse ist
nach Hause komme?«
Paola schwieg lange. »Wäre es dir lieber, wenn ich sagte, ich würde mit den Kindern auf einen Big Mac zu McDonald's gehen?« fragte sie endlich.
»Das wäre Kindesmißbrauch«, konterte er.
»Unsere beiden sind schon Teenager, Guido.«
»Es bleibt trotzdem Mißbrauch«, brummte er und legte auf.
Eigentlich wollten Vianello und Brunetti ja ins Da Remigio, doch das war, wie sich herausstellte, bis zehnten September geschlossen. Zwei weitere Restaurants, bei denen sie ihr Glück versuchten, machten ebenfalls Betriebsferien, und so blieb nur die Wahl zwischen einem Chinesen und dem langen Fußweg zur Via Garibaldi mit ihren ganzjährig geöffneten Touristenlokalen.
Statt dessen machten sie in schweigender Übereinkunft kehrt und gingen zurück zu der Bar am Ponte dei Greci, wo immerhin die tramezzini und der Wein genießbar waren. Brunetti verbot sich, an Paolas Kalbsbraten zu denken, und bestellte ein prosciutto e funghi, ein prosciutto e pomodoro und ein einfaches panino con salami. Vianello, dem, wenn er schon auf ein richtiges Mittagessen verzichten mußte, wohl egal war, was er aß, nahm das gleiche.
Der Ispettore brachte eine Flasche Mineralwasser und einen halben Liter Weißwein an den Tisch und setzte sich Brunetti gegenüber. Er schaute auf den Teller mit den Sandwiches, der zwischen ihnen stand, sagte: »Nadia hat frische Pasta gemacht«, und griff nach einem tramezzino.
Vianello verzehrte sein erstes Sandwich und trank zwei Gläser Mineralwasser, bevor er sich wieder zu Wort meldete. Erst als er das Glas abgestellt und für beide Wein eingegossen hatte, fragte er: »Was machen wir nun mit Scarpa?«
Offenbar sollte das ein inoffizielles Gespräch werden, andernfalls hätte er den Dienstgrad des Tenente nicht einfach unterschlagen.
Der Commissario nahm erst einmal einen Schluck Wein. »Ich denke, es bleibt uns nichts anderes übrig, als ihn gewähren zu lassen und abzuwarten, was bei seinen sogenannten Ermittlungen gegen Signora Gismondi herauskommt.«
»Aber das ist doch Unfug!« rief Vianello ärgerlich. Er kannte Assunta Gismondi nicht persönlich, hatte nur die Akte zum Fall Battestini gelesen und sich von Brunetti über dessen Gespräch mit ihr unterrichten lassen. Was indes genügte, um ihn zu überzeugen, daß sie nichts mit dem Verbrechen zu tun hatte und nur bestrebt gewesen war, der Rumänin zur Ausreise zu verhelfen. Bloß, einer wie Scarpa konnte ihr vermutlich auch daraus einen Strick drehen. »Glauben Sie, er bringt es fertig, sie als Komplizin hinzustellen, weil sie der armen Flori das Geld gegeben und ihr die Fahrkarte gekauft hat?«
Wozu Scarpa imstande war und wie weit er gehen würde, darüber wagte Brunetti schon längst keine Voraussagen mehr. Er bedauerte zutiefst, daß ein so grundanständiger Mensch wie Signora Gismondi als Geisel in Scarpas Guerillakrieg gegen ihn mißbraucht wurde, aber er wußte auch, daß jeder Rettungsversuch Scarpas Rachegelüste nur verschärft hätte.
»Trotzdem, ich glaube, uns sind die Hände gebunden. Wenn wir ihm in den Arm fallen, um die Signora zu beschützen, wird er uns irgendein finsteres Motiv unterstellen. Nicht auszudenken, wohin das führen würde.« Wie hätte er Scarpas Manöver voraussehen können, wenn ihm dessen Beweggründe so gänzlich fremd waren? Das heißt, verstandesmäßig erfaßte er sie schon; was ihm fehlte, war ein instinktives Leitsystem, das es ihm ermöglicht hätte, sich Schritt für Schritt in seinen Widersacher hineinzuversetzen. Auf so etwas verstand Patta sich weit besser als er und Signorina Elettra natürlich erst recht. Brunetti fiel ein, daß weiblichen Katzen nachgesagt wurde, sie seien die besseren Jäger und fänden auch mehr Vergnügen daran, ihre Beute zu Tode zu quälen.
Vianellos Stimme weckte ihn aus seinen Gedanken. »Ergibt das für Sie irgendeinen Sinn, Commissario?«
»Meinen Sie jetzt den Mord? Oder Scarpa?«
»Den Mord. Scarpa ist doch leicht zu durchschauen.«
Brunetti wünschte, es wäre so. »Der Mörder hat die alte Battestini gehaßt oder wollte zumindest den Anschein erwecken. Was auf eins hinausläuft.« Und auf Vianellos fragenden Blick hin ergänzte er: »Ich will damit sagen, der Täter verfügt über ein ungewöhnliches Gewaltpotential, unabhängig davon, ob er im Affekt getötet hat oder vorsätzlich. Ich habe zwar den Leichnam nicht gesehen, dafür aber die Fotos.« Die Vorwürfe, die er sich machte, weil er seinen Urlaub nicht abgebrochen hatte, sobald der
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