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Brunetti 13 - Beweise, daß es böse ist

Brunetti 13 - Beweise, daß es böse ist

Titel: Brunetti 13 - Beweise, daß es böse ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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die alte Frau herfiel, blendete seine Phantasie unversehens die Rebusrätsel dazwischen, bei denen er Chiara früher oft geholfen hatte: »Was gehört nicht auf dieses Bild?«
    Er hatte gesehen, wie Avvocatessa Marieschis Hände Poppis Ohren liebkosten. Der Commissario schalt sich einen sentimentalen Narren und lenkte seine Gedanken zurück in die Gegenwart, wo Signorina Elettra gerade dabei war, ihre Ausführungen abzuschließen.
    »... kommen also beide in Frage«, erklärte sie und wies auf den Bildschirm ihres Computers.
    »Wie war das?« stotterte Brunetti.
    »Die Auslandstransfers, Commissario«, wiederholte sie. »Beide wären dazu in der Lage gewesen.«
    »Die Anwältin und die Nichte?«
    Sie nickte. »Alles, was man dazu braucht, sind Kontonummer, Vollmacht und Codeziffer: Der Transfer wird dann automatisch abgewickelt. Man muß lediglich das entsprechende Formular ausfüllen und am Schalter abgeben.« Er wollte eben fragen, ob es möglich sei, die Unterschrift auf einem solchen Formular zu überprüfen, doch sie kam ihm zuvor: »Aber ohne Gerichtsbeschluß würde die Bank uns die Unterlagen niemals überlassen.«
    Brunetti ahnte bereits, wo diese Spur zwangsläufig enden würde. »Und die Banken auf Jersey und Guernsey?« fragte er.
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe es schon über alle möglichen Kanäle versucht, aber deren System ist absolut wasserdicht«, sagte sie grollend, doch mit unverkennbarem Respekt.
    Brunetti war fast versucht, sich zu erkundigen, ob sie ihr Geld auch auf den Kanalinseln in Sicherheit gebracht habe, aber er bezwang sich und fragte statt dessen: »Wüßten Sie denn eine andere Möglichkeit, den Transfer zurückzuverfolgen?«
    »Nicht ohne richterlichen Beschluß«, wiederholte sie. Alle drei wußten, wie die Chancen dafür standen.
    »Und haben Sie etwas über die Nichte herausgefunden?« wollte Brunetti wissen.
    »Ja, aber leider nur sehr wenig. Geburtsurkunde, Schulzeugnisse, Krankenakte, Steuerbescheide. Das Übliche eben.« Sie sagte das ganz ohne Ironie: Derlei persönliche Informationen über einen Menschen zu beschaffen war für sie so leicht wie für andere die Benutzung eines Telefonbuchs.
    »Und?« hakte Brunetti nach.
    »Und sie ist offenbar genauso ein unbeschriebenes Blatt wie ihre Tante«, antwortete Signorina Elettra seufzend.
    »Wissen Sie, wo sie arbeitet?«
    »Bei Romolo in der Bäckerei«, sagte Signorina Elettra.
    Brunetti nickte. Er kannte die pasticceria am anderen Ende der Stadt, die so konkurrenzlos frisches Gebäck anbot, daß er selber manchmal am Sonntagmorgen dort einkaufte.
    Ehe er sich in angenehmen Erinnerungen an knusprige Backwaren verlieren konnte, wurde die Tür aufgerissen, und Alvise stürzte herein. Um ein Haar hätte er Vianello umgerannt, doch es gelang ihm gerade noch abzubremsen, indem er sich schwer atmend mit einer Hand am Türrahmen festkrallte. »Commissario«, keuchte er, an Brunetti gewandt. »Eben kam ein Anruf für Sie. Von einer Frau!«
    »Ja, und weiter?« fragte Brunetti erschrocken. Noch nie hatte er den stoischen Polizisten so aufgelöst gesehen.
    »Sie hat gesagt, Sie müssen sofort kommen.«
    »Wer? Und wohin, Alvise?« fragte Brunetti.
    Alvise mußte erst Luft holen, bevor er antworten konnte. »Wohin hat sie nicht gesagt, Commissario. Aber Sie sollen gleich kommen.«
    »Warum?«
    »Weil ... also die Frau sagt, sie haben Poppi umgebracht.«

17
    D er Name elektrisierte Brunetti. Mit mühsam erzwungener Ruhe erkundigte er sich: »Hat sie gesagt, von wo sie anruft?«
    »Ich weiß nicht mehr«, stammelte Alvise verwirrt. Wie konnte der Commissario sich für solche Kleinigkeiten interessieren, wenn es doch hier um Mord ging?
    »Was genau hat sie gesagt, Alvise?« forschte Brunetti eindringlich.
    Der Polizist reagierte instinktiv auf den scharfen Ton seines Vorgesetzten, ließ den Türrahmen fahren und nahm Haltung an. Man konnte ihm die Anstrengung vom Gesicht ablesen, mit der er sich das Telefonat ins Gedächtnis rief. »Als Sie sich nicht meldeten, wurde der Anruf an die Zentrale weitergeleitet, Commissario, und weil Russo dachte, Sie wären vielleicht bei Vianello, hat er zu uns durchgestellt, und ich habe das Gespräch entgegengenommen.«
    Wieder einmal juckte es Brunetti in den Fingern, aber er sagte nur: »Ja, und weiter?«
    »Eine Frau war dran, und ich glaube, sie hat geweint, Commissario. Sie fragte immer wieder nach Ihnen, und als sie endlich begriffen hatte, daß Sie nicht da waren, sagte sie, ich solle Ihnen

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