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Brunetti 14 - Blutige Steine

Brunetti 14 - Blutige Steine

Titel: Brunetti 14 - Blutige Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Weitergehen: sich wieder an die Arbeit machen? Die Akten waren verschwunden; man hatte nicht nur ihm den Fall entzogen, sondern der venezianischen Polizei überhaupt. Er wußte weder, wer der Ermordete war, noch, warum er sich in Venedig aufgehalten hatte, und schon gar nicht, was ihn so wichtig machte, daß die Ministerien des Inneren und des Außeren seinen Tod in eigener Regie untersuchen oder dessen Aufklärung vereiteln wollten, je nachdem. Brunetti mußte einsehen, daß er nichts in der Hand hatte, weder Indizien noch Beweise. Nein, das stimmte nicht ganz: Er hatte immer noch die Diamanten, oder vielmehr Claudios Bank hatte sie, und er hatte die Leiche des Afrikaners - zumindest ging er davon aus.
    An dieser Stelle machte er kehrt und begab sich zurück zu der Telefonzelle. Er hatte nur ein paar Euros bei sich, von denen er einen in den Münzschlitz steckte. Dann wählte er auswendig Rizzardis Nummer.
    Als der Pathologe sich meldete, fragte Brunetti ohne Umschweife: »Dieser Mann, über den wir vor Weihnachten gesprochen haben, ist der noch da?«
    Es folgte eine lange Pause, die Rizzardi vermutlich brauchte, um Brunettis Stimme zu erkennen und dann seine Frage zu entschlüsseln. Endlich sagte er: »Du meinst den vom Weihnachtsmarkt?«
    »Ja.«
    »Nein, der ist weg«, entgegnete Rizzardi. »Ich dachte, das wüßtest du.«
    »Nein. Keine Spur. Red schon.«
    Als Rizzardi antwortete, klang seine Stimme gepreßt; offenbar fand er, diese Codesprache sei eher ein Spiel für Halbwüchsige als für erwachsene Männer. Gleichwohl hielt er sich daran. »Ein paar Leute - ich dachte, du wüßtest Bescheid, weil sie für dieselbe Firma arbeiten wie du -, also die haben ihn abgeholt und ihm eine große Abschiedsvorstellung spendiert.« Rizzardi hielt inne, vielleicht um sich zu vergewissern, daß Brunetti ihm folgte. Als keine Fragen kamen, fügte der Pathologe hinzu: »Genau wie bei deinem Freund Hektor.«
    Doch jetzt hatte der Doktor ihn überschätzt. Brunetti, der mit diesem Code nichts anzufangen wußte, stammelte aufs Geratewohl: »So, Hektor, aha. Wer war das doch gleich - ich meine, welcher Hektor?«
    »Der in dem Buch, das du dauernd liest, das mit den ewigen Kriegen.«
    Das konnte nur die Ilias sein, die mit dem Tode Hektors endet. Und dem Scheiterhaufen, auf dem sein Leichnam verbrannt wird. »Ah, schon verstanden. Danke dir. Tut mir leid, daß ich ihn verpaßt habe.«
    »Kann ich mir vorstellen«, sagte Rizzardi und legte auf.
    Panik drückte Brunetti die Kehle zu. Wäre er in dem Moment etwas gefragt worden, er hätte nicht antworten können. Als Rizzardi auflegte, hatte er seinen Euro eingebüßt; er kramte einen zweiten hervor, den er nur mit Mühe in den Schlitz bekam. Brunetti war nie ein sehr gläubiger Mensch gewesen; andernfalls hätte er jetzt vermutlich einen Handel mit Gott geschlossen und so gut wie alles für Claudios Sicherheit geboten: seine Karriere, die Diamanten, den ganzen Fall um den Afrikaner und dessen Tod.
    Er wählte Claudios Nummer. Es klingelte vier-, fünf-, sechsmal, und dann meldete sich eine Frau.
    »Ciao, Elsa. Ich bin's, Guido. Wie geht es dir?«
    »Ach, Guido, freut mich, deine Stimme zu hören. Ich hatte mir fest vorgenommen, Paola an Weihnachten anzurufen, aber dann war hier immer so viel Trubel mit den Jungs und den Enkeln, daß ich einfach nicht dazu kam. Geht es dir gut? Hattet ihr ein schönes Fest?«
    »Ja, Paola ist wohlauf, die Kinder auch. Und wie steht's bei euch?«
    »Kein Grund zur Klage. Es geht alles seinen Gang.« Dann fragte sie in verändertem Ton: »Ich nehme an, du willst Claudio sprechen?«
    »Oh, ist er da?«
    »Ja, er hilft Ricardos Jüngstem bei einem Puzzlespiel. Wir haben nämlich heute die Enkel.«
    »Ach, dann will ich ihn nicht stören, Elsa. Ich wollte ohnehin bloß wissen, wie es euch geht. Sag ihm nur, daß ich angerufen habe, und bestell liebe Grüße. Der übrigen Familie natürlich auch.«
    »Ich werd's ausrichten, Guido. Und du grüß Paola und die Kinder. Von uns allen.«
    Brunetti bedankte sich, und als er aufgelegt hatte, beugte er sich mit verschränkten Armen über den Apparat und legte den Kopf darauf.
    Nach ein paar Minuten trommelte jemand gegen die Tür der Telefonzelle. Einer der Standverkäufer, die an der Uferpromenade billige Souvenirs für die Touristen feilboten, ein Langhaariger mit vielen Tattoos, den Brunetti von Amts wegen kannte.
    Der Mann hingegen erkannte Brunetti offenbar nicht. »Ist Ihnen nicht gut, Signore?« fragte

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