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Brunetti 15 - Wie durch ein dunkles Glas

Brunetti 15 - Wie durch ein dunkles Glas

Titel: Brunetti 15 - Wie durch ein dunkles Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Konfrontation zu meiden, nicht mit ihnen zu streiten, alles zu unterlassen, was sie provozieren könnte.« Er blickte Vianello so eindringlich an, als wolle er ihn mit seiner offenen Miene vom Wahrheitsgehalt seiner Worte überzeugen. »Wir sind dort, um den Leuten zu helfen«, schloß er, und Brunetti glaubte ihm.
    »Aber diesmal ist etwas schiefgelaufen?« forschte er.
    Ribetti schüttelte ratlos den Kopf. »Ich kann mir nicht erklären, wie das passieren konnte. Es stießen ein paar Leute zu uns - keine Ahnung, woher sie kamen, ob sie zu uns gehörten oder zu den Arbeitern -, jedenfalls fingen sie an zu krakeelen, und prompt brüllten die Arbeiter zurück. Dann rempelte mich jemand an, ich ließ mein Plakat fallen, und als ich es wieder aufgehoben hatte, da waren scheinbar plötzlich alle durchgedreht. Man schubste und stieß sich gegenseitig; dann hörte ich Polizeisirenen, und gleich darauf ging ich zu Boden. Zwei Männer zogen mich hoch und schafften mich zusammen mit etlichen anderen in einen Kleinbus, der uns hierherbrachte. Erst gegen Mitternacht kam eine uniformierte Polizistin in die Zelle und gestattete mir ein Telefonat.« Ribettis Stimme klang bei dieser hastig heruntergespulten Zusammenfassung nicht minder verwirrt als die Ereignisse, die er beschrieb.
    Sein Blick schnellte zwischen Brunetti und Vianello hin und her, dann sagte er an letzteren gewandt: »Ich habe Assunta angerufen und ihr erklärt, wo ich bin und was passiert ist. Und als du mir eingefallen bist, habe ich sie gebeten, dir Bescheid zu geben.« Offenbar hatte er vergessen, was Vianello ihm berichtet hatte, denn plötzlich erkundigte er sich besorgt: »Sie hat dich doch nicht noch in der Nacht angerufen, oder?«
    Vianello lächelte. »Nein, nein, erst heute morgen.« Und Brunetti sah Ribetti seine Erleichterung an.
    »Aber ihr brauchtet meinetwegen nicht den weiten Weg zu machen«, sagte Ribetti. »Wirklich, Lorenzo: Ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht habe, Assunta an dich zu verweisen. Ich war wohl in Panik letzte Nacht. Aber ich dachte, du könntest hier jemanden anrufen oder so, und alles wäre geregelt.« Er sah Vianello an und beteuerte mit erhobener Hand: »Ehrlich, ich wäre nie auf die Idee gekommen, daß du eigens hier rausfahren müßtest.« Und an Brunetti gewandt: »Geschweige denn, daß Sie sich herbemühen würden, Commissario.« Wieder senkte er den Blick auf seine Hände. »Ich wußte einfach nicht weiter.«
    »Sind Sie früher schon mal verhaftet worden, Signor Ribetti?« fragte Brunetti.
    Ribetti starrte ihn so entgeistert an, als hätte Brunetti ihn geohrfeigt. »Natürlich nicht«, versicherte er.
    »Und wie steht es mit den anderen?« mischte Vianello sich ein.
    »Die auch nicht, niemals!« Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, wurde Ribetti unversehens lauter. »Ich sagte doch, wir sind darauf geschult, jede Provokation zu vermeiden.«
    »Aber sind solche Demos nicht an sich schon eine Provokation?« fragte Brunetti.
    Ribetti schien die Frage im Geiste zurückzuspulen und nach einem sarkastischen Hintersinn zu suchen. Offenbar ohne Ergebnis. »Das stimmt schon«, gab er zu. »Aber unsere Aktionen sind absolut gewaltfrei. Wir sind einzig und allein bestrebt, den Arbeitern klarzumachen, daß das, was sie tun, hochgradig gefährlich ist. Nicht nur für uns, sondern weit mehr noch für sie selbst.«
    Brunetti sah, daß Vianello sich damit zufriedengab, forschte aber trotzdem weiter. »Was sind denn das für Gefahren, Signor Ribetti?«
    Marco machte ein Gesicht, als hätte Brunetti ihn gefragt, wieviel zwei und zwei sei. Doch er gab sich einen Ruck und sagte: »Nun, an erster Stelle stehen die Lösungsmittel und Chemikalien, mit denen die Leute arbeiten. Zumindest in der Farbenfabrik. Die werden mal verschüttet oder einer bespritzt sich damit, ganz zu schweigen von den giftigen Dämpfen, die man den ganzen Tag einatmet. Oder denken Sie nur an all die Abfallstoffe, die ja irgendwo entsorgt werden müssen.«
    Brunetti, der Ähnliches schon seit geraumer Zeit von Vianello zu hören bekam, mied den Blickkontakt mit dem Inspektor. »Und glauben Sie denn«, fragte er, »daß Ihre Proteste etwas bewirken werden, Signor Ribetti?«
    »Das wissen die Götter!« Marco reckte die Handflächen zur Decke. »Aber es ist immerhin etwas, ein kleiner Aufschrei. Der anderen vielleicht zeigt, daß Widerstand möglich ist. Außerdem«, setzte er klagend, aber zugleich im Brustton der Überzeugung hinzu, »wenn wir gar nichts

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