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Brunetti 16 - Lasset die Kinder zu mir kommen

Brunetti 16 - Lasset die Kinder zu mir kommen

Titel: Brunetti 16 - Lasset die Kinder zu mir kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Anordnung illegal seien, weshalb ein anständiger Polizist sich davon nicht auch noch Kurzweil erwarten dürfe.
    »Und jetzt?« entgegnete er nachsichtig.
    Vianello grinste breit und zuckte mit den Schultern. »Jetzt bin ich, scheint's, auf den Geschmack gekommen.« Ohne weitere Aufforderung begann er zu erklären: »Muß wohl das Jagdfieber sein. Es fängt damit an, daß man über Summen stolpert, die aus dem Rahmen fallen, weil sie entweder zu groß oder zu klein sind. Da nimmt man dann langsam Witterung auf, bohrt tiefer, überprüft weitere Belege und stößt irgendwann dort, wo man sie nie vermutet hätte oder wo sie nicht hingehören, auf verdächtige Namen. Unterdessen kommt ständig neues Zahlenmaterial herein, das immer dubioser wirkt, bis man endlich dahintersteigt, wie das Spiel läuft und wie man die diversen Transaktionen zurückverfolgen kann.«
    Von ihm selbst unbemerkt, war Vianellos Stimme immer lauter und leidenschaftlicher geworden. »Und obwohl man ganz gemütlich an seinem Schreibtisch sitzen bleibt, weiß man bald über jeden ihrer Schritte Bescheid, weil man ihnen jetzt dauernd so dicht auf den Fersen ist, daß sie einen nicht mehr hinters Licht führen können.« Vianello hielt inne und lächelte versonnen. »So muß sich wohl eine Spinne fühlen, wenn sie in ihrem Netz sitzt, von dem die Fliegen nichts wissen: Ahnungslos schwirren sie umher und gehen unbekümmert ihrem Fliegendasein nach, während die Spinne ganz ruhig dahockt und abwartet, bis ihre Opfer sich in den tödlichen Maschen verfangen.«
    »Und dann schnappt sie zu?« fragte Brunetti.
    »Könnte man so sagen.« Vianello wirkte sehr zufrieden mit sich und seinem Gleichnis.
    »Wie du jetzt?« Brunettis Blick schweifte über die Papiere.
    »Geht es um deine Ärzte und ihre kulanten Apotheker?«
    Vianello nickte. »Ich habe mir die Konten der Spezialisten angesehen, die mein ... äh ... Gewährsmann benannt hat. Und zwar für die letzten sechs Jahre.« Obwohl sich hinter Vianellos nonchalanter Formulierung eindeutig eine Gesetzwidrigkeit verbarg, bewahrte Brunetti sphinxhafte Gelassenheit.
    »Daß sie als Fachärzte einen gehobenen Lebensstil pflegen, versteht sich.« Und vermutlich kassierten sie einen Großteil ihres Einkommens in bar: Konnte man sich einen Spezialisten vorstellen, der für eine Privatkonsultation einen Beleg ausstellte? »Einer von ihnen hat vor vier Jahren ein Konto in Liechtenstein eröffnet.«
    »Hat es damals angefangen mit den getürkten Überweisungen?« fragte Brunetti.
    »Da bin ich mir noch nicht sicher, aber laut meinem Informanten läuft der Deal schon seit einigen Jahren.«
    »Und die Apotheker?«
    »Merkwürdigerweise«, antwortete Vianello gedehnt, »sind in ganz Venedig nur fünf Apotheken im Besitz einer Lizenz für diesen Vermittlungsdienst. Wahrscheinlich eine Frage der Computerkapazität. Ich bin gerade dabei, ihre Dateien zu sichten.« Auch das ließ Brunetti unkommentiert durchgehen.
    »Von denen, die ich bereits überprüft habe, hat keiner im fraglichen Zeitraum sein Sparkonto oder das Kreditkartenlimit aufgestockt«, berichtete Vianello hörbar enttäuscht. Doch wie um sich selber Mut zu machen, ergänzte er: »Damit sind sie aber noch nicht unbedingt aus dem Schneider.«
    »Wie viele hast du denn schon kontrolliert?« fragte Brunetti.
    »Erst zwei.«
    »Hmm«, murmelte Brunetti. »Und wie lange brauchst du noch für die übrigen?«
    »Ein, zwei Tage.«
    »Aber mit diesen fingierten Terminen bist du dir sicher?«
    »Absolut. Ich weiß nur noch nicht, welche Apotheker beteiligt sind.«
    Rasch zählte Brunetti die gängigsten Motive auf: »Sex, Drogen und Glücksspiel. Darum dreht sich's normalerweise, wenn jemand zu unlauteren Mitteln greift, um an Geld zu kommen.«
    »Also wenn das die einzigen Motive wären, dann würden die beiden, denen ich schon auf den Zahn gefühlt habe, gleich ausscheiden«, entgegnete Vianello skeptisch.
    »Wieso?«
    »Weil der eine sechsundsiebzig ist und der andere bei seiner Mutter wohnt.«
    Brunetti, in dessen Augen beides nicht ausschloß, daß ein Mann für Sex, Drogen oder Glücksspiel empfänglich war, erkundigte sich nach den Personalien.
    »Der Alte heißt Gabetti. Herzleiden, erscheint nur zweimal die Woche in seiner Apotheke. Keine Kinder, bloß ein Neffe in Turin, der einmal alles erben wird.«
    »Dann klammerst du ihn also aus?« fragte Brunetti.
    »Manch einer täte das vielleicht, aber ich bestimmt nicht!« Vianello war auf einmal sehr aufgebracht.

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