Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brunetti 16 - Lasset die Kinder zu mir kommen

Brunetti 16 - Lasset die Kinder zu mir kommen

Titel: Brunetti 16 - Lasset die Kinder zu mir kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
Vom Netzwerk:
anderen Hautkrankheit herrühren mochten. Die größeren Male, die auf die Wangenpartie beschränkt waren, wurden fast gänzlich von den Haaren verdeckt. »Ich bin Dottoressa Fontana, Dottor Calamandris Assistentin. Ich bringe Sie zu ihm.«
    Signorina Elettra lächelte huldvoll: Angesichts einer Konkurrenz, die mit der Blondine vom Empfang nicht im entferntesten mithalten konnte, durfte sie sich eine solche Liebenswürdigkeit gestatten. Als sie gleich darauf Brunettis Arm nahm, wirkte sie so hilflos, als könne sie die Entfernung zu Dottor Calamandris Sprechzimmer nicht ohne seinen Beistand bewältigen.
    In dem Korridor, den sie im Gefolge von Dottoressa Fontana entlanggingen, wich die Eleganz des Foyers den praktischen Erfordernissen einer medizinischen Einrichtung: Der Fußboden war grau gefliest, und die Schwarzweißdrucke an den Wänden zeigten nüchterne Stadtansichten. Die Beine der Ärztin sahen von hinten genauso gut aus wie von vorn.
    Dottoressa Fontana blieb vor einer Tür auf der rechten Seite stehen, klopfte und drückte die Klinke hinunter. Sie ließ Brunetti und Signorina Elettra den Vortritt, folgte ihnen und schloß die Tür.
    Ein Mann, etwas älter als Brunetti, saß hinter einem Schreibtisch, auf dem das blanke Chaos herrschte. Aktenordner stapelten sich neben Stößen loser Blätter, Broschüren und Zeitschriften; dazwischen Medikamentenschachteln, Bleistifte, Kulis, ein Schweizer Armeemesser sowie medizinische Fachpublikationen, die so kunterbunt herumlagen, als hätte man den Leser mitten in der Lektüre abberufen.
    Die gleiche Nachlässigkeit war auch an der Person des Doktors festzustellen, dessen gelockerte Krawatte schief aus dem Kragen seines Arztkittels hervorlugte. Allerlei Stifte und etwas, das aussah wie ein Thermometer, steckten in der Brusttasche, die mit seinem Namen bestickt war. Er wirkte leicht zerstreut, so als wisse er nicht recht, wie dieses Durcheinander vor ihm zustande gekommen sei. Als er lächelnd aufschaute, erinnerte sein glattrasiertes, rundes Gesicht Brunetti an die Ärzte seiner Kindheit, Männer, die sich selbst nachts noch zu einem Hausbesuch bequemten, ja denen das Wohl ihrer Patienten so am Herzen lag, daß sie dafür weder Zeit noch Mühen scheuten.
    Der Raum bot die übliche Ausstattung: gerahmte Diplome an den Wänden, verglaste Vitrinen voller Arzneimittel und hinter einem Paravent eine papierbezogene Behandlungsliege.
    Calamandri stand auf und reichte, über seinen Schreibtisch hinweg, erst Signorina Elettra die Hand und dann Brunetti. Nach der Begrüßung wies er einladend auf zwei Stühle vor dem Schreibtisch. Auf einem dritten, rechts davon, nahm Dottoressa Fontana Platz.
    »Ihre Unterlagen habe ich hier«, sagte Calamandri in geschäftsmäßigem Ton. Treffsicher fischte er aus einem Stapel Schnellhefter einen gefütterten Umschlag heraus. Er schob etliche Papiere beiseite, um Platz zu schaffen, und zog die Akte Brunini hervor. Dann legte er die rechte Hand mit gespreizten Fingern über die erste Seite und sah die beiden an. »Ich habe mir die Ergebnisse all Ihrer Tests und Untersuchungen angeschaut und halte es für das beste, Ihnen offen die Wahrheit zu sagen.« Signorina Elettra hob eine Hand zum Mund, erstarrte aber mitten in der Bewegung. Calamandri fuhr fort: »Das ist sicher nicht der Bescheid, den Sie sich erhofft hatten, dafür aber der ehrlichste, den ich Ihnen geben kann.«
    Signorina Elettra entfuhr ein leiser Seufzer. Ihre Hand sank zurück in den Schoß und klammerte sich mit der anderen an ihre Tasche. Brunetti sah sie teilnahmsvoll an und tätschelte ihr begütigend den Arm.
    Calamandri wartete darauf, daß sie oder Brunetti etwas sagen würden, doch da beide schwiegen, schlug er vor: »Man könnte erwägen, die Tests zu wiederholen und -«
    Signorina Elettra unterbrach ihn mit heftigem Kopfschütteln. »Nein! Keine Tests mehr«, sagte sie schroff. Und setzte, an Brunetti gewandt, in sanfterem Ton, ja fast flehentlich hinzu: »Ich kann das nicht noch einmal durchmachen, Guido.«
    Calamandri hob beschwichtigend die Hand und wandte sich an Brunetti. »So leid es mir tut, aber ich bin der gleichen Meinung wie Ihre ...« Um eine korrekte Bezeichnung verlegen, richtete er seine Worte jetzt direkt an Signorina Elettra. »Ich fürchte, ich muß Ihnen recht geben, Signora.« Sie bedachte ihn mit einem gequälten kleinen Lächeln.
    Nun wanderte Calamandris Blick zwischen Brunetti und Signorina Elettra hin und her, um ihnen zu verdeutlichen, daß

Weitere Kostenlose Bücher