Brunetti 16 - Lasset die Kinder zu mir kommen
alles, was er zu sagen hatte, für beide galt: »Die Ergebnisse der Tests, denen Sie sich unterzogen haben - Sie beide -, sind eindeutig. Sie haben die Testreihen bereits zweimal durchlaufen, folglich wäre eine weitere Wiederholung kaum sinnvoll.« Der Arzt überflog die Akteneinträge vor sich auf dem Tisch, dann sah er Brunetti an. »Beim zweiten Test war die Anzahl sogar noch geringer.«
Brunetti erwog, nach diesem Schlag gegen seine Männlichkeit beschämt den Kopf zu senken, aber er bezwang die Versuchung und hielt dem Blick des Arztes stand, wenn auch sichtlich nervös.
Zu Signorina Elettra sagte Calamandri: »Ich weiß nicht, was meine verehrten Kollegen Ihnen erzählt haben, Signora, aber aufgrund dieser Befunde hier würde ich die Chancen für eine natürliche Empfängnis äußerst gering einschätzen.« Er blätterte eine Seite um, las nach, was immer Rizzardi und sein Freund vom Ospedale Civile sich ausgedacht hatten, und schaute wieder Signorina Elettra an. »Wie alt waren Sie, als das passierte?« fragte er.
»Achtzehn«, antwortete sie, scheu seinem Blick begegnend.
»Und warum, wenn Sie mir die Frage gestatten, haben Sie die Infektion erst so spät behandeln lassen?« erkundigte sich Calamandri ohne jeden Vorwurf in der Stimme.
»Ich war eben noch sehr jung damals«, entgegnete sie und zuckte leicht mit den Schultern, wie um sich von dem leichtfertigen Geschöpf von einst zu distanzieren.
Calamandri sagte nichts, und sein Schweigen nötigte ihr schließlich doch noch eine Verteidigung ab. »Ich dachte, es sei etwas ganz anderes. Eine Blaseninfektion, wissen Sie, oder eine von diesen Pilzgeschichten, die man sich so leicht einfängt.« Sie neigte sich zu Brunetti hinüber und ergriff seine Hand. »Als ich dann schließlich doch zum Arzt ging, hatte die Infektion sich bereits ausgebreitet.«
Brunetti, der den Blick angestrengt auf ihr Gesicht gerichtet hielt, himmelte sie an, als rezitierte sie, statt über eine Geschlechtskrankheit zu berichten, ein Sonett oder sänge ein Schlaflied für das Kind, das sie nicht haben konnte. Hoffentlich besaß Calamandri genügend Erfahrung, um zu wissen, wie ein Mann aussah, den die Liebe dumm gemacht hat. Oder dem seine Triebe den Verstand geraubt haben. Brunetti, der oft genug mit beiden Fällen konfrontiert worden war, hielt die Symptome für identisch.
»Und die möglichen Folgen dieser Infektion? Hat man Sie darüber aufgeklärt, Signora?« forschte Calamandri weiter. »Ihnen gesagt, daß Sie wahrscheinlich keine Kinder bekommen könnten?«
»Ich sagte doch schon«, entgegnete sie heftig und ohne den Zorn zu dämpfen, der stärker war als ihre Verlegenheit, »ich war sehr jung damals.« Nach mehrmaligem Kopfschütteln entzog sie Brunetti ihre Hand und betupfte sich die Augen. Dann sah sie ihn wieder an und beteuerte, so aufgewühlt, als wären sie ganz allein im Raum: »Das war, bevor ich dich kennengelernt habe, caro, bevor ich mir ein Baby wünschte. Unser Baby.«
»Ich verstehe.« Calamandri schloß den Ordner und faltete mit düsterer Miene die Hände darüber. An seine Kollegin gewandt, fragte er: »Haben Sie noch etwas hinzuzufügen, meine Liebe?«
Dottoressa Fontana beugte sich vor und richtete das Wort über Signorina Elettra hinweg direkt an Brunetti. »Bevor ich Ihre Akte las, hatte ich noch eine medizinisch unterstützte Befruchtung in Erwägung gezogen, aber angesichts der Röntgenbilder und der Gutachten der Kollegen vom Ospedale Civile erscheint mir auch diese Lösung nicht mehr praktikabel.«
»Geben Sie nicht mir die Schuld!« protestierte Signorina Elettra heftig.
Dottoressa Fontana fuhr fort, als hätte die Unterbrechung gar nicht stattgefunden. »Wie Sie schon sagten, Dottore« - dies mit einem leichten Kopfnicken in Calamandris Richtung -, »die Spermienzahl ist zu gering. Eine Empfängnis auf natürlichem Wege wäre mithin auch unabhängig vom Befund der Signora aussichtslos.« Und wieder an Signorina Elettra gewandt, schloß sie kühl: »Wir sind Ärzte, Signora. Wir urteilen nicht über unsere Patienten; wir versuchen lediglich, ihnen zu helfen.«
»Und was heißt das für uns?« fragte Brunetti, bevor Signorina Elettra das Wort ergreifen konnte.
»Ich fürchte«, antwortete Calamandri mit leicht zusammengekniffenen Lippen, »es heißt, daß wir in Ihrem Falle machtlos sind.«
»Aber da habe ich etwas ganz anderes gehört!« entfuhr es Brunetti.
»Von wem, Signore?« wollte Calamandri wissen.
»Von meinem Hausarzt in
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