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Brunetti 16 - Lasset die Kinder zu mir kommen

Brunetti 16 - Lasset die Kinder zu mir kommen

Titel: Brunetti 16 - Lasset die Kinder zu mir kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Venedig. Er sagt, Sie wirken Wunder.«
    Calamandri schüttelte lächelnd den Kopf. »Wunder bleiben unserem Herrgott vorbehalten, Signor Brunini. Und selbst er brauchte dazu ein paar Hilfsmittel, wie Brot und Fisch bei der Speisung der Fünftausend oder das Wasser bei der Hochzeit von Kanaan.« Ein Blick in ihre Gesichter verriet ihm, daß die Anspielung, welche Brunetti mit einem Nicken quittierte, an dessen Begleiterin vorbeigegangen war.
    »Aber ich habe genug Geld!« beteuerte Brunetti. »Sie müssen doch irgend etwas tun können.«
    »Ich fürchte, da gibt es nur eins, Signore«, sagte Calamandri mit einem auffälligen Blick zur Uhr, »nämlich Ihnen und Ihrer Gattin zu raten, die Möglichkeit einer Adoption ins Auge zu fassen. Ein langwieriges und wohl auch nicht ganz einfaches Verfahren, gewiß, aber in Ihrem Fall sehe ich keinen anderen Weg.«
    Wie brachte sie es fertig, auf Kommando rot zu werden? wunderte sich Brunetti. Wie um alles in der Welt gelang es Signorina Elettra, ihr ganzes Gesicht und die Ohren dazu mit flammender Röte zu überziehen und diese Show etliche Sekunden lang auszudehnen, während sie den Blick auf ihren Schoß gesenkt hielt und das Schloß ihrer Handtasche auf- und zuschnappen ließ?
    »Wir sind nicht verheiratet«, sagte Brunetti, um das Schweigen zu brechen, wozu anscheinend keiner der anderen willens oder in der Lage war. »Meine Frau und ich, wir haben uns getrennt, sind allerdings noch nicht geschieden. Mit Elettra bin ich schon seit über einem Jahr zusammen.« Seine Frau, die Leuchte seines Lebens, befand sich in Venedig, und er saß hier in Verona, war also tatsächlich von ihr getrennt. Von gesetzlicher Scheidung konnte freilich keine Rede sein, und er schickte ein Stoßgebet zum Himmel, auf daß diese Möglichkeit für alle Zeiten so absurd bleiben möge wie im Augenblick. Signorina Elettra wiederum arbeitete schon etwa zehn Jahre in der Questura; mithin waren er und sie fraglos seit mehr als einem Jahr zusammen. So hatte er, ungeachtet ihres großangelegten Täuschungsmanövers, in jedem einzelnen Punkt durchaus die Wahrheit gesagt.
    Ein Seitenblick auf Signorina Elettra ergab, daß sie immer noch mit gesenktem Kopf in ihren Schoß starrte. Aber ihre Hände waren zur Ruhe gekommen, und ihr Gesicht war jetzt totenbleich. »Sie sehen also«, wandte Brunetti sich nun wieder an Calamandri, »daß eine Adoption in unserer Situation nicht in Frage kommt. Darum hatten wir ja all unsere Hoffnung auf ein eigenes, ein gemeinsames Kind gesetzt.«
    Nach einer ziemlich langen Pause sagte Calamandri ernst: »Ja, jetzt verstehe ich.« Er schob die Akte Brunini zur Seite und sah Dottoressa Fontana an, doch die hatte offenbar nichts mehr hinzuzufügen. Calamandri erhob sich. Dottoressa Fontana folgte seinem Beispiel, ebenso Brunetti. Da Signorina Elettra reglos sitzen blieb, beugte Brunetti sich hinunter und legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Komm bitte, cara. Wir können hier nichts mehr ausrichten.«
    Sie sah mit tränenüberströmtem Gesicht zu ihm auf und flehte mit bebender Stimme: »Aber du hast mir doch versprochen, daß wir ein Baby bekommen. Du hast gesagt, du würdest alles dafür tun.«
    Brunetti kniete neben ihr nieder und bettete ihr tränennasses Gesicht an seine Schulter. Leise, aber nicht zu leise für die Ohren der zwei Ärzte, sagte er: »Ja, ich habe es dir versprochen. Und mein Versprechen gilt, ich schwöre es beim Haupt meiner Mutter. Ich werde alles tun.« Er schielte nach Calamandri und Dottoressa Fontana, doch die entfernten sich bereits.
    Als sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, half Brunetti Signorina Elettra auf die Füße und legte seinen Arm um ihre Schultern. »Komm, Elettra, laß uns nach Hause fahren. Hier haben wir nichts mehr zu erwarten.«
    »Aber du versprichst es, du versprichst mir, daß du einen Weg finden wirst?« schluchzte sie.
    »Ich tue alles«, wiederholte Brunetti und führte die weinende Frau zur Tür.

15
    S ie spielten ihre Rolle weiter, bis sie den Zug bestiegen hatten und sich in dem fast leeren Erste-Klasse-Wagen des Eurocity aus Milano gegenübersaßen, der sie zurück nach Venedig bringen würde. Schweigend hatten sie in der Klinik auf das von der Rezeptionistin bestellte Taxi gewartet, und auch auf der Fahrt zum Bahnhof wurde nicht gesprochen. Erst hier im Zug, wo keine Gefahr mehr bestand, daß man sie von irgendwoher beobachtete oder belauschte, lehnte Signorina Elettra sich in ihrem Sitz zurück und holte tief Luft.

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