Brunetti 17 - Das Mädchen seiner Träume
stand auf. »Hier zu sitzen und über die verfahrene Situation zu klagen bringt uns nicht weiter.«
»Was schlägst du vor?«
»Dass wir einen Kaffee trinken gehen und uns überlegen, wie wir das Haus der Fornaris observieren können.« Auf Vianellos fragenden Blick hin erklärte Brunetti: »Ich möchte wissen, ob sie Besuch bekommen.«
»Von wem denn?«, erkundigte sich Vianello gespannt. »Das will ich ja eben rauskriegen. Das und was dahintersteckt.«
Beim Kaffee erörterten die beiden Männer, wie sie trotz Personalknappheit und anderer logistischer Hürden eine Observierung einfädeln könnten, kamen aber zu keinem Ergebnis. Wenn jemand in so einer kleinen Sackgasse herumlungerte, würde er unfehlbar Aufsehen erregen. Als sie eine um die andere Möglichkeit diskutiert und verworfen hatten, fragte Vianello schließlich: »Was glaubst du denn, wer bei den Fornaris aufkreuzen wird?« »Der Vater des Mädchens.«
Die Antwort hatte der Inspektor offenbar nicht erwartet. »Meinst du, es macht ihm doch was aus?«
»Nein, aber er könnte eine Chance wittern, die Fornaris zu erpressen.« »Du gehst davon aus, dass er weiß, was mit seiner Tochter passiert ist, stimmt's?«, fragte Vianello. »Und die Fornaris auch.«
Brunetti erinnerte sich, dass Signora Vivarini bei ihrem ersten Zusammentreffen verwundert, aber kaum beunruhigt auf den Besuch der Polizei reagiert hatte. Beim zweiten Mal wahrten sowohl sie als auch ihr Mann nur mit Mühe die Fassung. Irgendetwas mussten sie in der Zwischenzeit erfahren haben, und Brunetti wollte wissen, was und von wem.
Schweigend überdachten die beiden Polizisten, welche Möglichkeiten ihnen noch offenstanden. Nach einer Weile meinte Brunetti: »Ich kann meine Kinder fragen.« Es klang, als sei das für einen Vater die natürlichste Sache der Welt. »Was fragen?«, entgegnete Vianello verblüfft.
»Ob sie die Kinder der Fornaris kennen. Und vielleicht was über sie gehört haben.« Vianello nahm ihn so scharf ins Visier, dass es Brunetti nun doch recht mulmig wurde. »Sie sind im gleichen Alter«, sagte er lahm. »So ungefähr jedenfalls.« »Meine sind Gott sei Dank noch zu jung«, sagte Vianello. Es klang verdächtig harmlos.
»Wofür?«, fragte Brunetti, obwohl er wusste, was kam. »Um für uns zu arbeiten«, antwortete der Inspektor. Brunetti verzichtete darauf, sich zu verteidigen. Ein Blick zur Uhr zeigte, dass es schon fast drei war. »Ich geh heim«, erklärte er und erhob sich.
Auch Vianello hatte offenbar alles gesagt, was er zu sagen bereit war.
»Wenn jemand nach mir fragt, sag einfach, ich hätte einen Termin außer Haus, ja?«, bat Brunetti. »Wie du meinst.«
Nicht einmal die klügsten Auguren hätten eine versteckte Botschaft aus Vianellos Stimme herausgehört. Brunetti erkannte sie trotzdem. Er ging um den Tisch herum und klopfte Vianello auf die Schulter. Dann verließ er die Cafeteria und machte sich auf den Heimweg.
Er brachte das Thema beim Essen zur Sprache, zwischen Spinatrisotto und Schweinscarre mit Pilzen. Chiara, die ihre vegetarische Phase offenbar hinter sich gelassen hatte und heute Abend irgendwie verändert wirkte, sagte, sie kenne Ludovica Fornari zwar nicht persönlich, aber vom Hörensagen.
»Ach, ja?«, fragte Brunetti und lud sich noch eine Scheibe Fleisch auf den Teller.
»Von der hab sogar ich schon gehört«, warf Raffi ein, bevor er sich wieder der Schüssel Karotten mit Ingwer zuwandte.
»Und was habt ihr so gehört?«, erkundigte sich Brunetti vorsichtig.
Paola warf ihm einen scharfen, misstrauischen Blick zu und schnitt den Kindern das Wort ab. »Chiara, hast du dir mein Passion Flower genommen?« Brunetti hatte keine Ahnung, auf was sich der Name bezog. Da Chiara einen weißen Baumwollpullover trug, konnte man Kleidungsstücke wohl ausschließen: Blieben Lippenstift oder andere Schminkutensilien oder Parfum. Das Paola allerdings so gut wie nie benutzte, und zu riechen war auch nichts. »Ja«, gestand Chiara zögernd.
»Hab ich mir doch gedacht«, sagte Paola mit strahlendem Lächeln. »Steht dir sehr gut.« Sie legte den Kopf schief und musterte das Gesicht ihrer Tochter. »Wahrscheinlich sogar besser als mir. Also behalt es ruhig.«
»Und du bist nicht böse, mamma?«, fragte Chiara. »Aber nein, kein bisschen!« Und mit einem munteren Blick in die Runde fuhr Paola fort: »Zum Nachtisch gibt's nur Obst, aber ich finde, heute Abend wäre eine gute Gelegenheit, die Eissaison zu eröffnen. Wer geht freiwillig zum Campo San
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