Brunetti 17 - Das Mädchen seiner Träume
würden.
Brunetti setzte sein freundlichstes Lächeln auf und fragte: »Sagtest du nicht, der Vater deiner Freundin Patrizia liege in der Klinik, die du als Kaplan betreust?« Als Antonin nickte, fuhr er fort: »Was ist denn mit dessen Wohnung? Könnten sie nicht dort unterkommen? Immerhin ist er doch der Großvater.« Brunetti betonte das so, als ließe allein das Verwandtschaftsverhältnis eine solche Lösung zwingend erscheinen.
Als Antonin daraufhin nur den Kopf schüttelte, aber eine Erklärung schuldig blieb, war Brunetti genötigt, sein Fragespiel fortzusetzen: »Und warum nicht?«
»Nach dem Tod seiner Frau - Patrizias Mutter - hat er wieder geheiratet. Die jetzige Frau und Patrizia haben keinen ... sie sind nie miteinander ausgekommen.« »Verstehe«, murmelte Brunetti.
Seinem Eindruck nach handelte es sich um eine relativ alltägliche Geschichte: Eine Familie lief Gefahr, ihr Heim zu verlieren, und musste eine neue Bleibe finden. Darin sah Brunetti das Hauptproblem: ein obdachloses Kind und seine Mutter, eine Wohnung, die sie würden räumen müssen, und eine andere, in die sie nicht zurückkehren konnten. Die Lösung bestünde darin, ihnen eine neue Unterkunft zu besorgen, doch das schien Antonin nicht zu kümmern, oder wenn, dann nur insofern, als es mit dem Immobiliengeschäft des jungen Mannes zu tun hatte.
»Wo ist denn die Wohnung, die dieser Roberto geerbt hat?« »In einem Haus am Campo Santa Maria Mater Domini. Wenn man über die Brücke kommt, steht man direkt davor. Die Wohnung liegt im obersten Stock.« »Wie groß?«
»Warum willst du das alles wissen, Guido?«, fragte der Priester zurück. »Wie groß?«
»An die zweihundertfünfzig Quadratmeter.«
Je nach Bausubstanz, Zustand des Dachs, Zahl der Fenster nebst Aussicht und Zeitpunkt der letzten Renovierung konnte die Wohnung ein Vermögen wert sein. Genauso gut mochte es aber auch eine dringend überholungsbedürftige Bruchbude sein, deren Erneuerung eine Menge Geld verschlingen würde. Doch selbst dann wäre sie in der Lage ein Vermögen wert.
»Ich habe keine Ahnung, was sie wert sein könnte. Ich kenne mich da überhaupt nicht aus«, sagte Antonin nach längerem Schweigen.
Brunetti nickte scheinbar gutgläubig und verständnisvoll, obwohl bei der Entdeckung eines Venezianers, der nicht imstande war, den Wert einer Immobilie einzuschätzen, normalerweise die Telefone in der Redaktion des Gazzettino heiß laufen würden.
»Hast du eine Ahnung, wie viel Geld dein Roberto diesem Sektenpriester schon gegeben hat?«, fragte Brunetti. »Nein«, erwiderte Antonin hastig, fügte dann aber hinzu:
»Patrizia will's mir nicht sagen. Ich glaube, es ist ihr peinlich.« »Verstehe.« Brunetti schlug einen sehr ernsten Ton an. »Zu schade. Ein Jammer für alle Beteiligten.« Der Padre knetete zwei neue Falten in seinen Talar. »Was soll ich für dich tun, Antonin?«, fragte Brunetti.
Der Priester hielt den Blick gesenkt. »Ich möchte, dass du versuchst, Näheres über diesen Mann herauszufinden.« »Den aus Umbrien?«
»Ja. Allerdings glaube ich nicht, dass er wirklich von dort stammt.«
»Ach, und woher dann?«
»Aus dem Süden. Kalabrien vielleicht. Oder auch Sizilien.«
»Hm-hm«, war alles, was Brunetti als Kommentar dazu riskierte.
Der Priester sah ihn an und ließ den Stoff aus seinen Fingern in den Schoß gleiten. »Ich kenne mich zwar mit den Dialekten da unten nicht aus, aber er klingt wie diese Filmschauspieler, die entweder aus dem Mezzogiorno stammen oder einen Süditaliener mimen.« Amonin stockte, suchte nach einer einleuchtenderen Erklärung. »Ich habe so lange im Ausland gelebt - vielleicht kann ich das gar nicht mehr richtig beurteilen. Aber so hört er sich an, jedenfalls wenn er sich volksnah gibt. Ansonsten spricht er meist hochitalienisch.« Antonin schnaubte verlegen. »Und das vermutlich besser als ich.«
»Wann hattest du denn Gelegenheit, ihn sprechen zu hören?« Brunetti hoffte, dass er die Frage unverfänglich genug formuliert hatte.
»Ich bin zu einem ihrer Treffen gegangen«, antwortete der Priester. »Am Campo San Giacomo dell'Orio, in der Wohnung eines ihrer Mitglieder, einer Frau, deren ganze Familie dieser Erweckungsgruppe beigetreten ist. Es begann nach sieben. Die Teilnehmer schienen sich untereinander alle zu kennen. Als Letzter kam der Anführer, dieser Mann, um den es mir geht, herein und sprach zu ihnen.«
»War der Sohn deiner Freundin auch da?« »Ja, natürlich.« »Seid ihr zusammen
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