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Brunetti 17 - Das Mädchen seiner Träume

Brunetti 17 - Das Mädchen seiner Träume

Titel: Brunetti 17 - Das Mädchen seiner Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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direkten Draht zum Himmel.«
    Für den Fall, dass dieses Gespräch unter irgendein Abkommen der Genfer Konvention fiel, die Brunetti nicht hätte verletzen wollen, verzichtete er auf den Hinweis, dass unter Antonins Amtsbrüdern so mancher Anspruch auf diesen direkten Draht erhob. Brunetti lehnte sich im Stuhl zurück und schlug die Beine übereinander. Die Situation hatte etwas Unwirkliches, das er mit seinem ausgeprägten Sinn fürs Absurde zu schätzen wusste. Antonins moralischer Kompass, den ein Betrug an der Stadt nicht einmal zum Zittern brachte, schlug aus wie wild bei der Vorstellung, Spendengelder könnten einer anderen Glaubensgemeinschaft als der eigenen zufließen. Brunetti hätte sich am liebsten vorgebeugt und den Priester gefragt, wie man denn als Laie echten Glauben von falschem unterscheiden solle, aber er hielt es für klüger abzuwarten, was Antonin zu sagen hatte. Also bemühte er sich um einen ausdruckslos-höflichen Gesichtsausdruck, der ihm nach eigener Einschätzung auch ganz gut gelang.
    »Er hat ihn vor etwa einem Jahr kennengelernt«, fuhr Antonin fort und überließ es Brunetti, die Pronomen den entsprechenden Personen zuzuordnen. »Er - Roberto, der Sohn meiner Freundin Patrizia - war da bereits mit einer dieser Erweckungsgruppen in Kontakt.«
    »Wie die von Santi Apostoli?« Brunetti dachte an die Kirche in Cannaregio, die Treffpunkt einer christlichen Sekte war, die im Ruf stand, besonders bekehrungswütig zu sein. »Eine hier ansässige Gruppe, ja, aber nicht die von Santi Apostoli«, erwiderte Antonin.
    »Und dieser Mann aus Umbrien gehört auch dazu?«, fragte Brunetti.
    »Weiß ich nicht«, entgegnete Antonin hastig, so als ob das gar nicht von Bedeutung sei. »Aber ich weiß, dass er Roberto schon um Geld anging, als sie sich kaum einen Monat kannten.«
    »Würdest du mir auch verraten, woher du das weißt?«, fragte Brunetti. »Von Patrizia.« »Und wie hat sie's erfahren?«
    »Emanuela, die Lebensgefährtin ihres Sohnes, hat es ihr gesagt.«
    »Und hat sie es gemerkt, weil ein Loch in der Haushaltskasse war?« Brunetti wunderte sich, wieso Antonin ihm nicht klipp und klar sagte, um was es ging. Warum ließ er sich jedes Detail einzeln aus der Nase ziehen? Seine letzte Beichte fiel ihm ein, die er im Alter von zwölf Jahren abgelegt hatte. Während er dem Priester seine armseligen Kindersünden aufgezählt hatte, wollte der in allen Einzelheiten wissen, was Brunetti getan und was er dabei empfunden habe. Seine Stimme hatte dabei immer begehrlicher geklungen, bis irgendein Urinstinkt Brunetti vor irgendetwas Ungesundem und Gefährlichem warnte und ihn veranlasste, unter einem Vorwand den Beichtstuhl zu verlassen, um nie zurückzukehren.
    Und nun fand er sich, Jahrzehnte später, in einer Parodie jener Szene wieder, bloß dass diesmal er es war, der die bohrenden Fragen stellte. Seine Gedanken schweiften ab zur Idee der Sünde und wie sie den Menschen nötigte, sein Handeln in Gut und Böse, Richtig und Falsch einzuteilen, und ihm ein Leben in einer Welt aufzwang, in der es nur Schwarz und Weiß gab.
    Seine eigenen Kinder hatte Brunetti weder mit einem Katalog von Sünden beschweren wollen, deren man sich um keinen Preis schuldig machen durfte, noch mit Geboten, die blindlings zu befolgen waren. Stattdessen hatte er ihnen anhand von Beispielen zu erklären versucht, wie man durch sein Tun und Handeln Gutes, aber auch Böses bewirken könne. Wobei er mitunter schon bereuen musste, nicht den anderen Weg eingeschlagen zu haben, der für jedes Problem eine einfache Lösung bereithielt.
    »... Er hat sie zum Verkauf angeboten. Wie ich schon sagte: Er will das Geld der Gemeinschaft spenden und mit diesen Leuten zusammenleben.«
    »Ja, so weit habe ich's verstanden«, log Brunetti. »Aber wann? Und was wird aus dieser Emanuela und ihrer Tochter?«
    »Patrizia meint, sie könnten zu ihr ziehen - sie hat eine Eigentumswohnung, aber nur eine kleine, bloß drei Zimmer, und für vier Personen wäre es da auf die Dauer entschieden zu eng.«
    »Und gibt es keine andere Möglichkeit?« Brunetti dachte an die Sozialwohnung, die nun auf diese Emanuela lief.
    »Nein, jedenfalls nicht, ohne immense Probleme heraufzubeschwören«, antwortete der Priester ausweichend.
    Brunetti interpretierte das so, dass die jetzigen Nutzer der Wohnung entweder eine schriftliche Vereinbarung mit dieser Emanuela getroffen hatten oder aber zu denen gehörten, die im Fall einer Kündigung unfehlbar Ärger machen

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