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Brunetti 18 - Schöner Schein

Brunetti 18 - Schöner Schein

Titel: Brunetti 18 - Schöner Schein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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schon. Ich sagte ja, wir sind zwar nicht direkt Freunde geworden, uns aber doch ziemlich nahegekommen. Wir haben über alles Mögliche gesprochen.«
    »Zum Beispiel?«
    »Ich habe ihm gesagt, was für ein Glückspilz er sei, mit einer Frau verheiratet zu sein, die er so sehr liebe«, sagte Guarino mit fester Stimme, die nur bei dem Wort »liebe« ins Schwanken geriet. »Aha.«
    »Und ich habe das wirklich so gemeint«, sagte Guarino; für Brunetti hörte sich dieses Bekenntnis wie eine Verteidigungsrede an. »Das war keiner dieser Sprüche, mit denen man sich ins Vertrauen eines anderen einzuschleichen versucht.« Er wartete, bis Brunetti den Unterschied begriffen hatte, und fuhr dann fort: »Anfangs mag es noch so gewesen sein, aber mit der Zeit, nun ja, hat sich das geändert.«
    »Haben Sie seine Frau kennengelernt? Oder mal gesehen?«
    »Nein. Aber er hatte ein Foto von ihr auf seinem Schreibtisch«, sagte Guarino. »Ich würde gern mit ihr reden, aber wir dürfen auf keinen Fall Kontakt mit ihr aufnehmen oder uns sonst irgendwie anmerken lassen, dass wir jemals mit ihm in Verbindung gestanden haben.«
    »Wenn sie ihn getötet haben, wissen sie das aber doch schon, meinen Sie nicht?« Brunetti war nicht bereit, Gnade walten zu lassen.
    »Kann sein«, stimmte Guarino widerstrebend zu, korrigierte sich dann aber: »Wahrscheinlich.« Seine Stimme wurde etwas kräftiger: »Aber so sind die Regeln. Wir dürfen nichts tun, was sie in Gefahr bringen könnte.«
    »Selbstverständlich«, sagte Brunetti und verkniff sich die Bemerkung, dass dafür schon hinreichend gesorgt worden sei. Er ging an seinen Schreibtisch zurück. »Ich weiß nicht, ob wir viel für Sie tun können, aber ich werde mich umhören und mir die Akten ansehen. Im Augenblick kann ich nur sagen, dass mir niemand einfällt.« Seine Wortwahl - »ich werde mich umhören« - wies bereits darauf hin, dass alles, was außerhalb der üblichen Aktenarbeit getan werden konnte, auf inoffizieller, privater Ebene ablaufen würde. Man konnte mit Informanten sprechen, in Bars den einen oder anderen Tipp aufschnappen. »Allerdings«, fügte Brunetti hinzu, »ist Venedig nicht gerade der ideale Ort, um Informationen über Lkw-Transporte zu sammeln.«
    Guarino forschte in seinem Gesicht nach einem sarkastischen Zug, wurde aber nicht fündig. »Ich bin Ihnen dankbar für jede noch so winzige Information, die Sie mir verschaffen können«, sagte er. »Wir kommen nicht mehr weiter. So ist es immer, wenn wir irgendwo arbeiten müssen, wo wir nicht wissen...« Seine Stimme verlor sich in einem Gemurmel.
    Brunetti nahm an, der andere habe sich gerade noch zurückgehalten, »wem wir vertrauen können« zu sagen; es konnte aber auch irgendetwas anderes gewesen sein. »Schon seltsam, wieso er nie dafür gesorgt hat, dass Sie sich diesen Mann mal ansehen konnten«, sagte er. »Schließlich kannten Sie ihn doch ziemlich lange.«
    Guarino sagte nichts.
    Brunetti stellten sich unzählige Fragen. War vielleicht mal ein Wagen der Spedition angehalten und der Fahrer nach den Frachtpapieren gefragt worden? Was, wenn es einen Unfall gegeben hätte?
    »Haben Sie mit den Fahrern gesprochen?«
    »Ja.«
    »Und?«
    »Das war nicht sehr ergiebig.« »Was soll das heißen?«
    »Es könnte zum Beispiel heißen, dass sie einfach hingefahren sind, wo sie hinfahren sollten, und nicht darüber nachgedacht haben.« Brunetti war anzusehen, wie glaubhaft er das fand, also fügte Guarino hinzu: »Oder dass der Mord an Ranzato bei ihnen zu Erinnerungslücken geführt hat.«
    »Meinen Sie, es lohnt sich, dem nachzugehen?« »Wohl kaum. Die Leute hier oben haben zwar noch nicht näher Bekanntschaft mit der Camorra gemacht, aber sie haben bereits gelernt, sich nicht mit ihr anzulegen.«
    »Wenn es schon so weit ist, dann ist es aussichtslos, sie noch aufzuhalten, oder?«, fragte Brunetti.
    Guarino erhob sich, beugte sich über den Schreibtisch und reichte dem Commissario die Hand: »Sie erreichen mich auf der Wache in Marghera.«
    Brunetti schüttelte ihm die Hand. »Ich werde mich umhören.«
    »Vielen Dank.« Guarino sah ihn prüfend an, nickte, als glaube er ihm, und ging rasch zur Tür. Leise verließ er den Raum.
    »Auch das noch, auch das noch«, murmelte Brunetti vor sich hin. Er blieb an seinem Schreibtisch sitzen, dachte über das Gehörte nach, dann stand er auf und ging in Signorina Elettras Büro. Bei seinem Eintreten blickte sie von ihrem Computerbildschirm auf. Die Wintersonne schien durchs

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