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Brunetti 18 - Schöner Schein

Brunetti 18 - Schöner Schein

Titel: Brunetti 18 - Schöner Schein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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eine graue Wolkendecke niedergelassen, die den Bergen den Schnee missgönnte und zugleich die Wärme am Aufsteigen hinderte, so dass es nicht für Regen reichte, sondern neblig war.
    Seit Wochen waren die Straßen nicht mehr saubergespült worden, nur schlieriges Kondenswasser überzog sie Nacht für Nacht. Das einzige aequo, alta vor vier Tagen hatte den Schmutz nur hin und her geschwemmt, ohne die Straßen auch nur ein bisschen sauberer zu machen. Ungestört von bora oder tramontana, war die Luft vom Festland allmählich nach Osten gewandert und hing jetzt über der Stadt, mit der Folge, dass die Luftverschmutzung mit jedem Tag schlimmer wurde und Venedig in weiß Gott was für chemischen Ausdünstungen versank.
    Paola hatte angesichts dieser Wetterlage alle gebeten, vorm Betreten der Wohnung die Schuhe auszuziehen; der Treppenabsatz vor der Tür wimmelte denn auch von Indizien, aus denen Brunetti schließen konnte, dass die anderen bereits alle vor ihm nach Hause gekommen waren. »So, so, der Superdetektiv«, sagte er vor sich hin, während er sich bückte, um seine Schnürsenkel zu lösen; er stellte die Schuhe ordentlich links neben die Tür und ging hinein.
    Die Stimmen kamen aus der Küche, er schlich sich leise an. »Aber in der Zeitung steht«, erklärte Chiara gerade verwirrt und fast schon verzweifelt, »dass die zulässigen Grenzwerte überschritten sind. Das steht doch hier!« Er vernahm das klatschende Geräusch, wenn jemand mit einer Hand gegen eine Zeitung schlägt.
    »Was heißt das denn, ›gesetzlich zulässig‹?«, rief sie. »Und wenn die Werte über dem zulässigen Grenzwert liegen, wer muss dann dagegen einschreiten?«
    Brunetti wollte in Ruhe zu Mittag essen und danach mit seiner Frau plaudern. Er hatte wenig Verlangen danach, in eine Debatte hineingezogen zu werden, in deren Verlauf er, wie zu befürchten war, für die Gesetze und das, was sie gestatteten, verantwortlich gemacht würde.
    »Und wenn man nichts dagegen unternehmen kann, was sollen wir dann machen? Nicht mehr atmen?«, fragte Chiara, und Brunettis Interesse erwachte, als er bei seiner Tochter genau denselben Tonfall wiedererkannte, den Paola anzuschlagen pflegte, wenn sie sich in ihre Empörung hineinsteigerte.
    Neugierig, wie die anderen auf ihre Frage reagieren würden, schlich er näher an die Tür.
    »Ich bin um halb drei mit Gerolamo verabredet«, unterbrach Raffi mit einer Stimme, die im Vergleich zu der seiner Schwester jede Betroffenheit vermissen ließ. »Also möchte ich jetzt wirklich bald essen, damit ich vorher noch meine Matheaufgaben machen kann.«
    »Die ganze Welt bricht um uns zusammen, und dich kümmert nur dein eigener Magen«, deklamierte eine weibliche Stimme.
    »Ach, hör doch auf, Chiara«, sagte Raffi. »Das ist doch alles derselbe Käse wie früher in der Grundschule, als wir unser Taschengeld rausrücken sollten, um irgendwelche Christenbabys zu retten.«
    »In diesem Haushalt werden keine Christenbabys gerettet«, erklärte Paola resolut.
    Zum Glück lachten beide Kinder darüber, und Brunetti nutzte die Gelegenheit, nun endlich hineinzugehen. »Ah, Frieden und Harmonie bei Tisch«, sagte er, nahm Platz und sah zu den Töpfen auf dem Herd hinüber. Er nahm einen Schluck Wein, sehr gut, noch einen Schluck, und stellte das Glas ab. »Trost und Freude ist es für einen Mann, nach einem harten Arbeitstag in den friedlichen Schoß seiner liebevollen Familie zurückzukehren.«
    »Bis jetzt war es nur ein halber Tag, papà«, belehrte ihn Chiara mit Schiedsrichterstimme und klopfte auf das Glas ihrer Armbanduhr.
    »Und zu wissen, dass ihm niemals widersprochen wird«, psalmodierte Brunetti weiter, »und dass ein jedes seiner Worte als Juwel der Erkenntnis und jede seiner Äußerungen ob ihrer Weisheit bewundert wird.«
    Chiara schob ihren Teller beiseite, legte ihren Kopf auf den Tisch und bedeckte ihn mit beiden Händen. »Ich wurde als Baby entführt und muss seitdem bei Wahnsinnigen leben.«
    »Nur bei einem«, sagte Paola und brachte eine Schüssel Pasta. Sie häufte große Portionen auf Raffis und Brunettis Teller, eine kleinere auf ihren eigenen. Inzwischen hatte Chiara sich wieder aufgerichtet und ihren Teller herangezogen, und Paola gab auch ihr eine große Portion.
    Sie stellte die Schüssel auf den Tisch, ging zum Herd und holte den Deckel. Die anderen warteten. »Mangia, mangia«, sagte sie und brachte den Käse.
    Alle warteten, bis sie saß, und keiner fing an zu essen, ehe der Letzte sich Käse

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