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Brunetti 18 - Schöner Schein

Brunetti 18 - Schöner Schein

Titel: Brunetti 18 - Schöner Schein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Schuhspitze über den gefrorenen Schlamm, sah dann die beiden an und sagte: »Vorige Woche hat jemand versucht, ihn von der Straße zu drängen.«
    »Das hat er mir nicht erzählt«, sagte Brunetti. »Was genau ist da passiert?«
    »Er ist ihnen ausgewichen. Sie sind neben ihm hergefahren - er kam auf der Autostrada aus Richtung Treviso -, und als sie von der Seite auf ihn zurückten, ist er auf die Bremse gestiegen und nach rechts rausgefahren. Die anderen sind weitergefahren.« »Glauben Sie die Geschichte?«
    Ribasso zuckte die Achseln und ging dorthin zurück, wo Guarino gelegen hatte. »Jetzt hat ihn jemand erwischt.«
    Brunetti und Griffoni fuhren ziemlich schweigsam zum Piazzale Roma zurück, beide noch mitgenommen vom Anblick des Toten und durchgefroren von dem langen Aufenthalt in der frostigen Einöde Margheras. Griffoni fragte Brunetti, warum er Ribasso verschwiegen habe, dass er den Mann auf dem von Guarino gemailten Foto identifiziert hatte, und Brunetti hielt ihr entgegen, dass der Capitano, der doch mit Sicherheit Bescheid wusste, es nicht für nötig gehalten habe, ihm irgendetwas zu erzählen. Vertraut mit der Rivalität zwischen den verschiedenen Ordnungskräften, sagte sie nichts mehr.
    Brunetti hatte ihre Ankunft telefonisch angekündigt, und so wurden sie bereits von einer Barkasse erwartet, die sie zur Questura brachte. Aber selbst in der gut geheizten Kajüte des Bootes wurde ihnen nicht warm.
    In seinem Büro blieb er neben der Heizung stehen, er sträubte sich, Avisani anzurufen, und rechtfertigte die Verzögerung damit, dass er sich erst aufwärmen wollte.
    »Ich bin's«, sagte er, um einen natürlichen Ton bemüht.
    »Stimmt etwas nicht?«
    »Gar nichts stimmt«, sagte Brunetti, sofort peinlich berührt von dieser theatralischen Bemerkung. »Filippo?«, fragte Avisani.
    »Ich habe eben seine Leiche gesehen«, sagte Brunetti, und als keine Fragen kamen, fuhr er fort: »Er wurde erschossen. Man hat ihn heute Vormittag in Marghera gefunden, im Petrochemie-Komplex.«
    Nach einer langen Pause sagte Avisani: »Er hat immer gesagt, dass er damit rechne. Aber ich habe ihm nicht geglaubt. Wer glaubt denn so etwas? Und dann plötzlich... ist alles anders. Wenn es passiert.«
    »Hat er dir sonst noch etwas erzählt?«
    »Ich bin Journalist, vergiss das nicht«, schnappte Avisani fast schon wütend zurück.
    »Ich dachte, du seist sein Freund.«
    »Ja. Ja.« Und wieder ernüchtert, sagte er: »Nur das Übliche, Guido: Je mehr er herausfand, desto mehr Hindernisse türmten sich auf. Der für den Fall zuständige Richter wurde versetzt, und der Neue schien nicht sonderlich interessiert. Als Nächstes wurden zwei seiner besten Mitarbeiter versetzt. Du weißt ja, wie das läuft.«
    Ja, dachte Brunetti, ich weiß, wie das läuft. »Noch etwas?«, fragte er.
    »Nein, nur das. Ich konnte damit nichts anfangen, das hatte ich schon zu oft gehört.« Er legte auf.
    Wie viele Mitarbeiter der Polizei hatte Brunetti schon vor langer Zeit erkannt, dass die Tentakel der verschiedenen Mafias weit in alle Bereiche des Lebens vordrangen, nicht zuletzt auch in zahlreiche Wirtschaftsunternehmen und in die meisten öffentlichen Einrichtungen. Unmöglich, die Zahl der Polizisten und Richter festzustellen, die, wenn ihre Ermittlungen peinliche Verbindungen zur Regierung aufzudecken drohten, plötzlich in irgendein Provinznest versetzt worden waren. Selbst wenn man sich Mühe gab, das zu ignorieren: Die Indizien für das Ausmaß der Unterwanderung waren überwältigend. War die Mafia mit 93 Milliarden Euro Jahresgewinn nicht erst kürzlich von der Presse zum drittgrößten Unternehmen des Landes erklärt worden?
    Brunetti hatte zusehen müssen, wie die Mafia und ihre engen Verwandten, die 'Ndrangheta und die Camorra, immer mehr Macht erlangt und sich immer weiter aus der Verborgenheit hervorgewagt hatten, bis sie zum Hauptakteur in der Welt des Verbrechens geworden waren. Wie dieser französische Adlige in dem Buch, das er als Junge gelesen hatte - Die scharlachrote Blume. Er versuchte sich an das Spottlied über die Leute zu erinnern, die den Übeltäter aufzuspüren und zu vernichten trachteten: »Sie suchen hier, sie suchen dort, ganz Frankreich sucht ihn immerfort.«
    Oder war Herkules' Kampf mit der Hydra ein besseres Bild: Kaum war ein Kopf abgeschlagen, wuchsen zwei neue nach? Er erinnerte sich an den überschwänglichen Medienrummel nach den Verhaftungen von Riina, Provenzano und Lo Piccolo, an die unablässig

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