Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brunetti 18 - Schöner Schein

Brunetti 18 - Schöner Schein

Titel: Brunetti 18 - Schöner Schein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
Vom Netzwerk:
Hoffnung, Signorina Elettra werde nicht dahinterkommen, dass er Gummistiefel in den Papiermüll getan hatte.
    Wieder am Schreibtisch, bemerkte er bei einem Blick auf den Dienstplan, dass Alvise die ganze nächste Woche für den Empfangsbereich eingeteilt war. Das änderte er umgehend und schickte ihn mit Riverre auf Streife.
    Endlich war es Zeit. Er machte sich zu Fuß auf den Weg, bereute das aber schon bald, als er in den Borgoloco San Lorenzo einbog und die Temperatur plötzlich stark abfiel. Hätte er wenigstens seinen Schal mitgenommen. Der Wind legte sich, als er auf den Campo Santa Maria Formosa gelangte, doch als er die gefrorenen Spritzer auf dem Pflaster um den Brunnen sah, wurde ihm noch kälter.
    Er nahm die Abkürzung neben der Kirche, erreichte San Lio und trat nach dem Durchgang auf den Campo, wo ihn nicht nur der Wind erwartete, sondern auch Conte Orazio Falier, der einen rosa Wollschal um den Hals trug, wie ihn nur wenige Männer seines Alters zu tragen wagen würden.
    Die beiden Männer tauschten Wangenküsse aus, wie es ihnen im Lauf der Jahre zur Gewohnheit geworden war, dann hakte der Conte sich bei Brunetti unter und führte ihn von der Goldoni-Statue fort in Richtung Ponte del Povo.
    »Erzähl mir von dem Gemälde«, sagte Brunetti.
    Der Conte nickte einem vorübergehenden Passanten zu, dann blieb er stehen und begrüßte eine ältere Frau, die Brunetti bekannt vorkam. »Es ist nichts Besonderes, aber das Gesicht hat etwas, das mich anspricht.« »Wo hast du es gesehen?«
    »Bei Franco. Dort können wir reden«, antwortete der Conte, während er einem alten Paar zunickte.
    Sie näherten sich dem Campo San Luca, gingen an der Bar vorbei, die Rosa Salva verdrängt hatte, dann über die Brücken und hinunter auf den Kasten zu, den man aus La Fenice gemacht hatte. Vor dem Theater wandten sie sich nach links, ließen das Antico Martini hinter sich, beide frustriert, dass jetzt nicht der Moment war, dort zu speisen, und traten schließlich in die Galerie am Fuß der Brücke. Franco, den sie beide seit langem kannten, wies mit einer einladenden Geste auf die Bilder an der Wand und vertiefte sich wieder in sein Buch.
    Sein Schwiegervater führte ihn vor ein Porträt, das nach Brunettis Schätzung aus dem sechzehnten Jahrhundert stammte, venezianischer Stil. Das Gemälde, nur etwa sechzig mal fünfzig Zentimeter groß, zeigte einen bärtigen jungen Mann, der den Betrachter mit klugem Blick taxierte; seine rechte Hand lag anmutig auf seinem Herzen, die Linke auf einem aufgeschlagenen Buch. Ein Fenster hinter seiner rechten Schulter bot Aussicht auf Berge, die Brunetti auf den Gedanken brachten, der Maler könnte aus Conegliano stammen, vielleicht aus Vittorio Veneto. Das edle Gesicht des Porträtierten hob sich vor einem dunkelbraunen Vorhang ab, schön kontrastiert vom hohen weißen Kragen seines Hemds. Dazu trug er ein rotes Wams und einen schwarzen Überwurf. Seine Ärmelaufschläge, weich gekräuselt und genauso vorzüglich gemalt wie sein Gesicht und seine Hände, setzten zwei weitere helle Akzente.
    »Gefällt es dir?«, fragte der Conte.
    »Sehr. Weißt du etwas darüber?«
    Bevor er antwortete, trat der Conte näher an das Bild heran und lenkte Brunettis Aufmerksamkeit auf das Wappen neben der rechten Schulter des Mannes. Der Conte zeigte mit dem Finger darauf und fragte: »Meinst du, das könnte später hinzugefügt worden sein?«
    Brunetti trat zurück, um es sich aus größerem Abstand anzusehen. Er hob eine Hand, verdeckte das Wappen und stellte fest, dass die Proportionen so besser waren. Er studierte das Porträt noch ein wenig länger und sagte schließlich: »Ich denke schon. Ja. Aber von allein wäre ich wohl nicht darauf gekommen.«
    Der Conte brummte zustimmend.
    »Was meinst du, was ist passiert?«, fragte Brunetti.
    »Ich bin mir nicht sicher«, antwortete der Conte. »Genaues lässt sich unmöglich sagen. Aber ich vermute, dass diesem Mann, als das Porträt längst fertig war, irgendein Titel verliehen wurde, und so hat er es dem Maler zurückgebracht und ihn gebeten, das Wappen einzufügen.«
    »So ähnlich, als würde man einen Scheck oder einen Vertrag rückdatieren?«, bemerkte Brunetti und fand es faszinierend, wie konstant sich die Lust am Betrug über die Jahrhunderte gehalten hatte. »Keine neuen Moden in Verbrecherkreisen, wie?«
    »Versuchst du damit das Gespräch auf Cataldo zu lenken?«, fragte der Conte und fügte rasch hinzu: »Und ich meine das durchaus ernst,

Weitere Kostenlose Bücher