Brunetti 18 - Schöner Schein
Der Straßenbelag war bröckelig und uneben; jenseits der geparkten Autos erhoben sich vier riesige Öllagertanks, jeweils zwei auf jeder Straßenseite. Ihre Wände waren stellenweise durchgerostet; bei einem war weit oben ein Rechteck herausgeschnitten, das Metall hatte sich zurückgebogen und bildete jetzt eine Art Fenster. Die trostlose Umgebung war mit Papierfetzen und Plastiktüten übersät. Kein einziger Grashalm wuchs dort.
Der Fahrer hielt nicht weit von dem Krankenwagen; Brunetti und Griffoni stiegen aus. Die Köpfe, die sich nicht nach dem Geräusch des Motors umgedreht hatten, taten es jetzt, als die Türen zugeschlagen wurden.
Brunetti erkannte einen der Carabinieri, er hatte vor Jahren einmal mit ihm zu tun gehabt, aber damals war der Mann noch Tenente gewesen. Rubini? Rosato? Schließlich fiel es ihm ein - Ribasso. Und dann ging ihm auf, die Stimme, die er am Telefon nicht erkannt hatte, das musste seine gewesen sein.
Neben Ribasso standen ein anderer Mann, ebenfalls in Carabinieri-Uniform, sowie zwei Männer und eine Frau von der Spurensicherung in weißen Papieroveralls. Zwei Helfer standen beim Krankenwagen, an dem eine zusammengerollte Trage lehnte. Beide rauchten. Inzwischen hatten sich alle umgedreht und sahen Brunetti und Griffoni entgegen.
Ribasso trat vor, reichte Brunetti die Hand und sagte: »Ich dachte mir, dass Sie das am Telefon waren, war mir aber nicht sicher.« Er lächelte, ging aber nicht weiter auf den Anruf ein.
»Vielleicht sehe ich im Fernsehen zu viele Krimis, in denen knallharte Polizisten vorkommen«, erklärte oder entschuldigte sich Brunetti mit einer Notlüge. Ribasso klopfte ihm auf die Schulter und begrüßte Griffoni mit Namen. Die anderen taten es Ribasso nach, nickten den Ankömmlingen zu und machten Platz, so dass Brunetti und Griffoni sich zu ihnen stellen konnten.
Etwa drei Meter entfernt lag auf dem Rücken ein Toter im Zentrum einer Fläche, die mit rotweißem, an dünnen Metallstäben befestigtem Plastikband abgesperrt war. Hätte Brunetti nicht schon das Foto gesehen, hätte er Guarino aus dieser Entfernung kaum erkannt. Ein Teil seines Unterkiefers fehlte, und was von seinem Gesicht noch geblieben war, lag abgewandt. Er trug einen dunklen Mantel, und weder darauf noch an den Aufschlägen seines Jacketts war Blut zu sehen. Bei seinem Hemd war das freilich anders.
Die Knie seiner Hose und die rechte Schulter des Mantels waren mit angetrockneten Schlammspritzern bedeckt, und an der Sohle seines rechten Schuhs klebte etwas, das wie Plastikreste aussah. Im halbgefrorenen Matsch um die Leiche wimmelte es von sich überlagernden Fußabdrücken.
»Er liegt auf dem Rücken«, war das Erste, was Brunetti sagte.
»Sehr richtig«, bestätigte Ribasso.
»Von wo wurde er hierhergebracht?«, fragte Brunetti.
»Das weiß ich nicht«, sagte Ribasso, konnte dann aber seinen Zorn nicht mehr unterdrücken. »Diese Idioten sind hier überall rumgetrampelt, bevor sie uns gerufen haben.«
»Welche Idioten?«, fragte Griffoni.
»Die, die ihn gefunden haben«, schimpfte Ribasso. »Zwei Lkw-Fahrer, die Kupferrohre anlieferten. Hatten sich verfahren und sind auf diese Straße hier geraten.« Er wies in die Richtung, aus der Brunetti und Griffoni gekommen waren. »Als sie wenden wollten, sahen sie ihn am Boden liegen und mussten natürlich einen Blick auf ihn werfen.«
Einiges von dem, was dann passiert sein musste, rekonstruierte Brunetti sich aus den zahllosen Fußspuren im Schlamm um die Leiche und den zwei brustgroßen Knieabdrücken, die einer der beiden neben dem Toten hinterlassen hatte.
»Kann es sein, dass die ihn umgedreht haben?«, fragte Griffoni, aber es klang so, als hielte sie das nicht für möglich.
»Sie haben gesagt, das hätten sie nicht getan«, war die beste Antwort, die Ribasso geben konnte. »Und es sieht auch nicht danach aus, obwohl sie natürlich alle Spuren zerstört haben, als sie hier herumgelaufen sind.«
»Haben sie ihn angefasst?«, fragte Brunetti.
»Das wissen sie nicht mehr, behaupten sie.« Ribassos Entrüstung war hörbar. »Aber als sie uns anriefen, sagten sie etwas von einem toten Carabiniere, also müssen sie seine Brieftasche herausgenommen haben.«
Dazu war nichts zu sagen.
»Haben Sie ihn gekannt?«, fragte Brunetti.
»Ja«, sagte Ribasso. »Ich war es, der ihn zu Ihnen geschickt hat.«
»Wegen dieses Mannes, den er gesucht hat?«
»Ja.« Und nach kurzem Nachdenken: »Ich dachte, Sie könnten ihm helfen.«
»Ich hab's
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