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Brunetti 18 - Schöner Schein

Brunetti 18 - Schöner Schein

Titel: Brunetti 18 - Schöner Schein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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einen scheidenden Kollegen teilnehmen musste; die Kinder seien zu einem Horrorfilm-Festival gefahren und würden auch nicht zum Essen da sein. Bevor er fragen konnte, versprach sie, ihm etwas in den Backofen zu stellen.
    Er dankte ihr, dann fiel ihm die Bitte des Conte ein, um die er sich noch nicht hatte kümmern können. »Hat dein Vater etwas von Cataldo erwähnt?«
    »Als ich das letzte Mal mit meiner Mutter gesprochen habe, meinte sie, er werde ihm einen Korb geben, aber warum, wusste sie nicht.« Und dann: »Du weißt, mein Vater spricht gern mit dir, also raff dich auf, spiel den besorgten Schwiegersohn und ruf ihn an. Bitte, Guido.«
    »Ich bin sein besorgter Schwiegersohn«, beteuerte Brunetti.
    »Guido«, sagte sie und ließ dem Namen eine lange Pause folgen. »Du weißt selbst, du interessierst dich kein bisschen für seine Geschäfte - oder jedenfalls lässt du keinerlei Interesse daran erkennen. Es wird ihn bestimmt sehr freuen, wenn du endlich damit anfängst.«
    Wenn es um die Geschäfte seines Schwiegervaters ging, befand sich Brunetti in einer Zwickmühle. Da seine Kinder eines Tages das Vermögen der Faliers erben würden, konnte jede noch so harmlose Erkundigung danach als eigennützig interpretiert werden: Die bloße Vorstellung war ihm peinlich.
    Paola wartete auf seine Antwort; er fand es heikel, sich nach Cataldo umzuhören: Schließlich war der Mann mit einer Frau verheiratet, für die Brunetti sich so sehr interessiert hatte, dass er das nicht hatte verheimlichen können. »In Ordnung«, raffte er sich auf. »Ich rufe ihn an.«
    »Gut«, sagte Paola und legte auf.
    Den Hörer noch in der Hand, wählte Brunetti die Nummer seines Schwiegervaters, nannte der Sekretärin seinen Namen und verlangte Conte Falier zu sprechen. Diesmal gab es nicht das übliche Klicken, Summen und Warten, sondern der Conte meldete sich sofort: »Guido, wie schön, dass du anrufst. Geht's dir gut? Und den Kindern?« Ein Fremder, der nicht wusste, dass Paola täglich mit ihren Eltern sprach, hätte zweifellos angenommen, der Conte habe schon seit geraumer Zeit nichts mehr von seiner Familie gehört.
    »Ja, allen geht es gut, danke«, antwortete Brunetti und fuhr übergangslos fort: »Ich bin neugierig, ob du wegen dieser Investition zu einer Entscheidung gekommen bist. Entschuldige, dass ich mich nicht bei dir gemeldet habe, aber ich konnte nichts in Erfahrung bringen, jedenfalls nichts, was du nicht sowieso schon weißt.« Zurückhaltung am Telefon war Brunetti so zur Gewohnheit geworden, dass er selbst bei einer harmlosen Erkundigung nach dem Befinden eines Mitglieds seiner Familie grundsätzlich keine Namen nannte und so wenig Informationen wie möglich preisgab.
    »Das ist schon in Ordnung, Guido«, unterbrach die Stimme seines Schwiegervaters seine Grübeleien. »Ich habe mich bereits entschieden.« Und nach einer Pause: »Wenn du willst, kann ich dir mehr darüber erzählen. Hast du eine Stunde Zeit?«
    Da ihn zu Hause niemand erwartete, sagte er ja, und der Conte fuhr fort: »Ich würde gern noch einmal einen Blick auf ein Gemälde werfen, das ich gestern Abend gesehen habe. Vielleicht möchtest du ja mitkommen. Und mir sagen, was du davon hältst.«
    »Mit Vergnügen. Wo sollen wir uns treffen?«
    »Wie wär's mit San Bortolo? Von dort können wir zu Fuß gehen.«
    Sie verabredeten sich für halb acht; der Conte sagte, der Händler werde bestimmt auf sie warten, wenn er ihn verständigte. Brunetti sah auf die Uhr, er konnte sich bis dahin um die Akten kümmern, die es an diesem Tag auf seinen Schreibtisch geregnet hatte. Er riss sich zusammen und begann zu lesen. Keine Stunde später war ein dicker Stapel von rechts nach links gewandert, aber so stolz er auf seinen Fleiß sein mochte, war nur wenig von dem, was er gelesen hatte, in seinem Gedächtnis haften geblieben. Er stand auf, trat ans Fenster und sah zu der Kirche auf der anderen Seite des Kanals hinüber, ohne sie wirklich wahrzunehmen. Er band seine Schuhe fester und öffnete den armadio, um nach den gefütterten Stiefeln zu sehen, die dort seit Jahren verlassen herumlagen. Das letzte Mal hatte er sie bei einem ungewöhnlich hohen acqua alta getragen. Vor Monaten war ihm aufgefallen, dass einer davon mit Schimmel bedeckt war, und jetzt nutzte er die Gelegenheit, sie beide in den Papierkorb zu werfen; er konnte nur hoffen, dass die nächste Flut ihn nicht in der Questura erwischen und er dann ohne Stiefel dastehen würde. Noch größer aber war seine

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