Brunetti 18 - Schöner Schein
versucht.« Brunetti wandte sich von dem Toten ab.
Die Frau im weißen Anzug, offenbar die Chefin der Spurensicherung, rief Ribasso etwas zu, und der ging rüber und sprach mit ihr. Dann gab er den Helfern ein Zeichen und sagte ihnen, sie könnten den Toten jetzt in die Pathologie des Krankenhauses bringen.
Die beiden warfen ihre Zigarettenstummel auf den Boden zu denen, die schon dort lagen. Brunetti sah zu, wie sie die Trage zu dem Toten brachten, ihn anhoben und darauf ablegten. Alle traten zur Seite, um sie zum Krankenwagen durchzulassen. Sie schoben die Trage durch die Hecktür hinein, und erst das Zuschlagen der Türen brach den Bann, der sie alle zum Schweigen gebracht hatte.
Ribasso trat beiseite und sprach mit dem anderen Carabiniere; der ging zum Auto, baute sich lässig daneben auf und zog ein Päckchen Zigaretten hervor. Die drei Spurensicherer streiften ihre Papieranzüge ab, rollten sie ein und stopften sie in eine Plastiktüte, die sie hinten in ihren Einsatzwagen warfen. Dann klappten sie ihr Stativ zusammen und verstauten die Kameras in einem gepolsterten Metallkoffer. Türen knallten, Motoren brummten, der Krankenwagen fuhr davon, gefolgt vom Wagen der Kriminaltechniker.
In die eintretende Stille hinein fragte Brunetti: »Warum haben Sie Patta angerufen?«
Ribasso schickte seiner Antwort ein gereiztes Knurren voraus. »Ich kenne ihn von früher.« Er sah nach der Stelle, wo Guarino gelegen hatte. »Ich hielt es für das Beste, von Anfang an den offiziellen Weg zu beschreiten. Außerdem wusste ich, dass er den Fall abgeben würde, vielleicht an jemanden, mit dem wir zusammenarbeiten könnten.«
Brunetti nickte. »Was hat Guarino Ihnen erzählt?«
»Dass Sie versuchen wollten, den Mann auf dem Foto zu identifizieren.«
»Ist das auch Ihr Fall?« »Mehr oder weniger«, sagte Ribasso.
»Pietro«, sagte Brunetti und verfiel in den vertraulichen Tonfall, der sich damals zwischen ihnen entwickelt hatte. »Guarino - er möge in Frieden ruhen - hat das auch schon bei mir versucht.«
»Und Sie haben ihm gedroht, ihn aus Ihrem Büro zu werfen«, sagte Ribasso. »Das hat er mir erzählt.«
»Also fangen Sie erst gar nicht damit an«, sagte Brunetti unnachgiebig.
Griffoni sah abwechselnd zwischen den beiden Männern hin und her.
»Na schön«, lenkte Ribasso ein. »Ich sagte ›mehr oder weniger‹, weil er als Freund mit mir davon gesprochen hat.«
Zu weiteren Auskünften schien Ribasso nicht bereit, also hakte Brunetti nach: »Sie sagten, er sei beim nas gewesen?« Immerhin erklärte das Guarinos Interesse für Mülltransporte: Der nas befasste sich mit Umweltverschmutzung im weiteren Sinn. Brunetti hatte es immer für Ironie und nicht für Zufall gehalten, dass ausgerechnet in Marghera, dem Ursprungsort jahrzehntelanger Umweltverpestung, eine Zweigstelle des nas eingerichtet worden war.
Ribasso nickte. »Filippo hat Biochemie studiert: Ich nehme an, er ist zum nas gegangen, weil er etwas Nützliches tun wollte. Etwas Sinnvolles. Die haben ihn mit Kusshand genommen.«
»Wie lange ist das her?«
»Acht, neun Jahre. So etwa. Ich kenne ihn erst seit fünf oder sechs Jahren.« Bevor Brunetti nachfragen konnte, fügte er hinzu: »Wir haben nie zusammen an einem Fall gearbeitet.«
»Auch nicht an diesem?«, fragte Griffoni.
Ribasso verlagerte sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen. »Wie gesagt, er wollte mit mir darüber reden, mehr nicht.«
»Was hat er Ihnen sonst noch erzählt?«, fragte Brunetti, und Griffoni schaltete noch ein: »Sie können ihm jetzt nicht mehr schaden.«
Ribasso ging ein paar Schritte auf sein Auto zu und drehte sich wieder zu ihnen um. »Er hat mir gesagt, die ganze Sache stinke nach der Camorra. Der Ermordete - Ranzato - sei nur einer von vielen Beteiligten gewesen. Filippo wollte versuchen, herauszufinden, auf welchen Wegen dieser ganze Müll herumtransportiert wird.«
»Um was für Mengen geht es denn?«, fragte Griffoni dazwischen. »Tonnen?«
»Hunderte Tonnen, würde ich sagen«, korrigierte Brunetti.
»Hunderttausende kommt den Tatsachen schon näher«, brachte Ribasso sie beide zum Schweigen.
Brunetti versuchte es mit Kopfrechnen, aber da er nicht wusste, wie viel Tonnen ein einzelner Lastwagen beförderte, kam er nicht einmal ansatzweise weiter. Plötzlich dachte er an seine Kinder, denn es waren sie und deren Kinder, die diesen ganzen Mist einmal erben würden.
Ribasso schien selbst ernüchtert von dem, was er da gesagt hatte; er scharrte mit der
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