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Brunetti 18 - Schöner Schein

Brunetti 18 - Schöner Schein

Titel: Brunetti 18 - Schöner Schein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Guido.«
    »Nein«, sagte Brunetti ruhig. »Ich habe nur herausgefunden, dass er reich ist. Keine Hinweise auf Kriminelles.« Er sah seinen Schwiegervater an. »Weißt du etwas, das ich nicht weiß?«
    Der Conte trat zur Seite und betrachtete ein anderes Bild, das lebensgroße Porträt einer Frau mit fettem Gesicht; sie trug auffällig viel Schmuck und ein Kleid aus Brokat. »Wenn sie nur nicht so vulgär aussehen würde«, sagte er und sah zu Brunetti hinüber. »Das Bild ist so wunderbar gemalt, ich würde es auf der Stelle kaufen. Aber ich könnte es nicht ertragen, mit ihr in einem Haus zu leben.« Er streckte eine Hand aus und zog Brunetti am Arm vor das Gemälde. »Und du?«
    Das Schönheitsideal veränderte sich im Lauf der Jahrhunderte, das wusste Brunetti natürlich, und so mochte ihre Körperfülle für einen Geliebten oder Gatten des siebzehnten Jahrhunderts durchaus attraktiv gewesen sein. Aber der gefräßige Blick ihrer Schweinsäuglein musste zu allen Zeiten anstößig wirken. Ihre Haut glänzte vor Fett, nicht vor Gesundheit; ihre Zähne, so weiß und ebenmäßig sie auch sein mochten, waren die eines Raubtiers; die Falten im Fett ihrer Handgelenke bargen Schmutz. Das Gewand, aus dem ihr Busen quoll, diente nicht dem Zweck, ihr Fleisch zu verhüllen, sondern es in Zaum zu halten.
    Aber wie der Conte bemerkt hatte, war sie phantastisch gut gemalt: der Glanz ihrer Augen, die üppige Fülle ihres goldenen Haars, der rote Brokat des Gewandes, das zu viel von ihrem Busen sehen ließ - das alles hatte der Maler perfekt auf die Leinwand gebracht.
    »Es ist ein bemerkenswert modernes Gemälde«, sagte der Conte und führte Brunetti zu zwei Samtsesseln, die aussahen, als seien sie ursprünglich für Mitglieder der höheren Geistlichkeit gebaut worden.
    »Das kann ich nicht erkennen«, sagte Brunetti und staunte, wie bequem der riesige Sessel war. »Was daran modern sein soll.«
    »Diese Frau symbolisiert Konsumverhalten«, sagte der Conte und wies auf das Bild. »Sieh dir an, wie feist sie ist, und stell dir vor, wie viel sie in ihrem Leben gegessen haben muss, um eine solche Fleischmasse anzuhäufen; ganz zu schweigen davon, wie viel sie essen muss, um so zu bleiben. Und dann die Farbe ihrer Wangen: Man sieht genau, sie ist dem Trunk ergeben. Stell dir vor, wie viel sie trinkt. Und der Brokat: Wie viele Seidenwürmer mussten für ihr Kleid und ihren Umhang sterben, für den Seidenbezug ihres Stuhls? Ihr Schmuck: Wie viele Männer haben dafür in den Goldminen mit dem Tod bezahlt? Wer ist gestorben, als er den Rubin an ihrem Ring aus der Erde geholt hat? Und die Obstschale auf dem Tisch neben ihr? Wer hat diese Pfirsiche angebaut? Wer hat das Glas neben der Schale hergestellt?«
    Brunetti betrachtete das Bild aus diesem neuen Gesichtswinkel, sah es als Darstellung von Reichtum, der den Konsum befördert und wiederum durch Konsum befördert wird. Der Conte hatte recht: Man konnte es ohne weiteres so interpretieren, aber genauso gut konnte man es als Illustration für das Geschick des Malers und den Geschmack seiner Epoche sehen.
    »Hast du vor, zwischen all dem und Cataldo einen Zusammenhang herzustellen?«, fragte Brunetti lächelnd.
    »Konsum, Guido«, fuhr der Conte fort, als hätte Brunetti nichts gesagt. »Konsum. Wir sind davon besessen. Wir wollen nicht einen, sondern sechs Fernseher haben. Jedes Jahr ein neues Handy, oder gar alle sechs Monate, immer wenn neue Modelle auf den Markt kommen. Und angepriesen werden. Unsere Computer jedes Mal aktualisieren, wenn es ein neues Betriebssystem gibt, und jedes Mal neue Bildschirme, wenn sie größer oder kleiner oder flacher oder, was weiß ich, runder werden.« Brunetti dachte an seinen Antrag auf einen eigenen Computer und fragte sich, wohin diese Rede noch führen würde.
    »Falls du dich fragst, worauf ich damit hinauswill«, sagte der Conte zu seiner Verblüffung, »ich will auf den Müll hinaus.«
    Der Conte wandte sich Brunetti so auftrumpfend zu, als habe er soeben den endgültigen Beweis für die Richtigkeit einer logischen Schlussfolgerung oder einer algebraischen Formel erbracht. Brunetti sah ihn nur an.
    Der Conte, kein schlechter Schauspieler, ließ einige Zeit verstreichen. Im Nebenraum der Galerie hörten sie den Inhaber eine Seite seines Buchs umschlagen.
    Schließlich fuhr der Conte fort. »Müll, Guido. Müll. Das war es, was Cataldo mir empfehlen wollte.«
    Brunetti erinnerte sich an die Liste von Cataldos Unternehmen und sah sie plötzlich in

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