Brunetti 18 - Schöner Schein
von ihm vorgeschlagenen Partnerschaft angemessen wäre.«
»Warum hast du nicht einfach nein gesagt und es dabei belassen?«, sagte Brunetti, dem diese Frage nicht im Geringsten dumm vorkam.
»Weil ich, ehrlich gesagt, immer ein wenig Angst vor Cataldo gehabt habe, aber diesmal hat es mir nur leid um ihn getan.«
»Und um das, was aus ihm werden wird.«
»Richtig.«
»Aber nicht so sehr, dass du ihm helfen wolltest?« »Guido. Ich bitte dich.«
17
B runetti hatte jahrzehntelang Zeit gehabt, sich an die Geschäftsmoral des Conte zu gewöhnen, trotzdem war er überrascht. Sein Blick wanderte wie in plötzlich neuerwachtem Interesse zu dem Porträt der Frau, dann sah er wieder den Conte an. »Und wenn er bankrott geht?«, fragte Brunetti.
»Ach, Guido«, sagte der Conte, »Leute wie Cataldo sind nie bankrott. Ich sagte, er wird einen Verlust erleiden, aber das wird ihn nicht ruinieren. Er ist seit langer Zeit im Geschäft, und er hatte immer gute Verbindungen zur Politik: Seine Freunde werden sich um ihn kümmern.« Conte Falier lächelte. »Vergeude deine Zeit nicht damit, ihn zu bedauern. Wenn du jemanden bedauern willst, dann bedaure seine Frau.« »Das tue ich«, gestand Brunetti.
»Ich weiß«, sagte der Conte kühl. »Aber warum? Weil dir eine Frau, die Bücher liest, sympathisch ist?«, fragte er ohne jede Spur von Sarkasmus. Auch der Conte las Bücher, und seine Frage war ganz sachlich gemeint. Er fuhr fort: »Als Cataldo mir den Hof gemacht hat - anders kann man das nicht nennen -, war ich einmal bei den beiden zum Essen eingeladen. Ich saß neben ihr am Tisch, nicht neben ihm, und sie erzählte mir, was sie gerade las. Genau wie bei dir neulich. Und während sie mir von den Metamorphosen erzählte, hatte ich die ganze Zeit das Gefühl, dass sie sehr einsam sein müsse. Oder sehr unglücklich.«
»Warum?«, fragte Brunetti und dachte bei dem Titel ihrer Lektüre unwillkürlich wieder an ihr Gesicht und die Veränderungen, die es durchgemacht hatte.
»Nun, sie macht einen gebildeten Eindruck, aber dann ist da auch ihr Gesicht. So auffällig, wie sie geliftet ist, denken die Leute alles Mögliche über sie.«
»Und was denken sie deiner Meinung nach?«
Der Conte versank wieder in der Betrachtung des Frauenporträts. »Uns befremdet dieses Gesicht«, bemerkte er und wies gleichgültig auf das Bild. »Zu ihrer Zeit ist sie vermutlich kaum aufgefallen, vielleicht hielt man sie sogar für attraktiv. Wir hingegen sehen bloß eine viel zu dicke Frau mit fettiger Haut.« Er konnte der Versuchung nicht widerstehen und fügte hinzu: »Nicht viel anders als die Frauen vieler meiner Geschäftspartner.«
Brunetti sah die Ähnlichkeit, sagte aber nichts.
»In unserer Zeit«, fuhr der Conte fort, »fällt jemand auf, der wie Franca Marinello aussieht. Was sie mit ihrem Gesicht angestellt hat, finden die meisten so ungewöhnlich, dass sie ihre Kommentare nicht unterdrücken können.«
Er verstummte; Brunetti wartete. Der Conte schloss seufzend die Augen. »Weiß der Himmel, wie viele Ehefrauen meiner Freunde das getan haben: die Augen, das Kinn, dann das ganze Gesicht.« Er öffnete die Augen wieder und betrachtete versonnen das Porträt. »Sie tut also nichts anderes als die anderen, nur hat es bei ihr ein groteskes Ausmaß angenommen.« Er richtete den Blick auf Brunetti. »Warum reden Frauen über sie, als sei sie ein Zombie? Versuchen sie sich weiszumachen, dass sie selbst niemals so weit gehen und so etwas tun würden?«
»Das erklärt aber immer noch nicht, warum sie es getan hat«, sagte Brunetti beim Gedanken an ihr gespenstisches Gesicht.
»Weiß der Himmel«, bestätigte der Conte. »Vielleicht hat sie es Donatella erzählt.«
»Ihr erzählt?« Brunetti fand es unvorstellbar, dass Franca Marinello irgendwem davon erzählt haben könnte, schon gar nicht der Contessa.
»Warum sie es getan hat, meine ich. Die beiden sind seit Francas Studienzeiten miteinander befreundet. Donatella hat einen Cousin, der in ihrer Heimatgegend als Seelsorger arbeitet, und Franca ist irgendwie mit ihm verwandt. Er hat sie Donatellas Obhut empfohlen, als sie nach Venedig ging und dort niemanden kannte. Die beiden sind enge Freundinnen geworden.« Der Conte ließ Brunetti nicht zu Wort kommen. »Frag mich nicht. Ich weiß nicht wie. Ich weiß nur, dass Donatella große Stücke auf sie hält.« Plötzlich fragte er mit verschmitztem Grinsen: »Hat es dich nicht gewundert, dass wir sie dir gegenüber platziert
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