Brunetti 18 - Schöner Schein
Brunetti und erhob sich - eine Bewegung, die von Pattas Tonfall veranlasst wurde, nicht von dem, was er gerade gesagt und Brunetti nicht gehört hatte.
Er wartete auf eine abschließende Bemerkung Pattas, und als keine kam, ging er in Signorina Elettras Büro. Laut genug, dass es bis zu Patta durchdringen konnte, sagte er: »Wenn Sie mal einen Moment Zeit haben, Signorina, würde ich Sie bitten, ein paar Dinge für mich zu erledigen.«
»Selbstverständlich, Commissario«, sagte sie ebenso laut in die Richtung von Pattas Tür. »Ich habe noch einiges für den Vice-Questore fertig zu machen. Ich melde mich bei Ihnen, sobald ich kann.«
20
A ls Brunetti sein Büro betrat, bemerkte er als Erstes das Licht, das durchs Fenster hereinströmte. Drüben gleißte das Kirchendach, an dem noch kleine Schneereste hafteten, dahinter prangte der blankgeputzte Himmel. Der Schnee hatte die Luft vom Schmutz gereinigt, und falls er nach Hause käme, solange es noch hell genug war, würde er von der Küche aus die Berge sehen.
Er trat ans Fenster und widmete sich dem Lichtspiel auf dem Dach gegenüber, während er auf Signorina Elettra wartete. Sie hatte Guarinos Interesse geweckt, und er errötete bei dem Gedanken, wie er sich über ihre Reaktion darauf geärgert hatte. Es gab kein besseres Wort dafür: Er hatte sich geärgert. Die zwei hatten sich näherkommen wollen, und Brunetti war dazwischengetreten. Er legte beide Hände flach aufs Fensterbrett und betrachtete seine Finger, aber das half auch nicht gegen sein schlechtes Gewissen. Um sich abzulenken, dachte er an die trockene Bemerkung, die Guarino über die Ähnlichkeit seiner eigenen Sekretärin mit Signorina Elettra gemacht hatte. Hatte sie nicht auch so einen exotischen, opernhaften Namen gehabt - Leonora, Norma, Alcina? Nein, eher was Schwermütiges: Gott, es gab so viele davon.
Gilda. So hieß sie. Gilda Landi. Oder war das eine dieser falschen Fährten, auf die man als Leser von Spionageromanen ständig gelockt wurde? Nein, Guarino hatte das ganz spontan gesagt, und wie war das noch - wie hatte er sie genannt? Die unbezähmbare? Nein, die unersetzliche Signora Landi. Also eine Zivilangestellte.
Er hörte Signorina Elettra eintreten, und als er sich umdrehte, saß sie bereits auf einem Stuhl vor seinem Schreibtisch. Sie wandte ihm das Gesicht zu, sah aber an ihm vorbei nach dem Dach und dem blauen Himmel dahinter.
Er setzte sich an seinen Schreibtisch und fragte: »Was wollten Sie mir erzählen, Signorina?«
»Dieser Terrasini«, sagte sie. »Antonio. Das scheint sein richtiger Name zu sein.« Sie hatte eine Akte mitgebracht, ließ sie aber ungeöffnet.
Brunetti nickte.
»Er gehört zur Terrasini-Familie in Aspromonte, einer der Bosse ist sein Onkel.«
Sofort überschlugen sich seine Gedanken, aber auch wenn es tatsächlich irgendwelche Verbindungen zu Guarinos Tod geben mochte, blieb doch immer die unumstößliche Tatsache, dass er keinen Grund hatte, den Mann zu verhören, geschweige denn, ihn festzunehmen. Guarino hatte ihm nie etwas zu dem Foto gesagt und würde es auch nicht mehr tun.
»Wie haben Sie das herausgefunden?«, fragte er.
»Wir haben ihn in den Akten, Signore. Als er die ersten Male festgenommen wurde, hat er diesen Namen benutzt, später dann auch verschiedene andere.« Sie sah Brunetti an. »Ich verstehe nur nicht, warum er im Casinó seinen richtigen Namen angegeben hat.«
»Vielleicht weil man dort Ausweise sorgfältiger prüft, als wir es tun«, sagte er. Er hatte das ironisch gemeint, aber plötzlich kam es ihm vor, als könnte er damit den Nagel auf den Kopf getroffen haben.
»Weswegen wurde er festgenommen?«, fragte er.
»Das Übliche«, antwortete sie. »Körperverletzung, Erpressung, Drogenhandel, Vergewaltigung - das alles am Anfang seiner Karriere.« Sie holte Luft. »Dann hat er sich gesteigert: Beziehungen zur Camorra. Mord in zwei Fällen, bei denen es aber nicht zum Prozess gekommen ist.«
»Warum?«
»Im einen Fall ist der Hauptzeuge verschwunden, im anderen hat der Hauptzeuge seine Aussage zurückgezogen.«
Da sich ein Kommentar erübrigte, fragte Brunetti: »Wo ist er jetzt? Im Gefängnis?«
»Das war er. Wurde aber bei der Amnestie freigelassen, obwohl er erst wenige Monate gesessen hatte.«
»Weswegen?«
»Körperverletzung.«
»Wann wurde er entlassen?«
»Vor fünfzehn Monaten.«
»Weiß man, wo er seitdem gewesen ist?«
»In Mestre.« »Was hat er dort getan?«
»Bei seinem Onkel gewohnt.«
»Und was
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