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Brunetti 18 - Schöner Schein

Brunetti 18 - Schöner Schein

Titel: Brunetti 18 - Schöner Schein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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fragte nach Vianello, aber der Ispettore war noch nicht eingetroffen. Ebenso wenig der Vice-Questore - Brunetti stellte sich Patta zu Hause im Schlafanzug vor, irgendjemand würde ihm schon einen Brief des Inhalts tippen, er könne wegen des Schnees erst später zur Arbeit kommen.
    Er trat in Signorina Elettras Büro.
    Statt ihn zu grüßen, bemerkte sie als Erstes: »Sie haben mir nicht gesagt, dass Sie ein Foto von ihm gesehen haben.« Sie trug ein schwarzes Kleid und eine Seidenjacke in einer Farbe, wie man sie von den Gewändern buddhistischer Mönche kennt. Das heitere Orange bildete einen scharfen Kontrast zur Nüchternheit ihrer Stimme.
    »Richtig«, antwortete er sachlich. »Das stimmt.«
    »War es sehr schlimm? Für ihn?«, fragte sie. Brunetti war erleichtert, weil sie damit indirekt mitteilte, dass sie zwar von dem Foto gehört, es aber nicht gesehen habe.
    Er verzichtete darauf, das Geschehene zu beschönigen. »Es ging sehr schnell. Offensichtlich kam es für ihn aus heiterem Himmel.«
    »Wie können Sie da so sicher sein?«
    Er sah Guarino vor sich auf dem Boden liegen: seinen zertrümmerten Kiefer. »Das brauchen Sie nicht zu wissen. Glauben Sie mir einfach.«
    »Was war er für ein Mensch?«
    Die Frage beunruhigte ihn, weil sich so viele Antworten aufdrängten. Er war Carabiniere. Er war jemand, dem Avisani vorbehaltlos vertraute. Er hatte gegen die Hintermänner illegaler Mülltransporte ermittelt, auch wenn Brunetti nicht viel mehr wusste als das. Er hatte sich für einen leicht aufbrausenden Mann interessiert, einen Spieler, der nicht gern verlor und der wahrscheinlich Antonio Terrasini hieß. Er lebte von seiner Frau getrennt.
    Während ihm das alles durch den Kopf ging, sah er sich gezwungen, seine Zweifel an dem, was Guarino ihm erzählt hatte, endgültig ad acta zu legen. Gewiss, Guarino war ihm ausgewichen und hatte manche Fragen nicht beantwortet, aber mittlerweile war Brunetti überzeugt davon, dass Guarino ihm die Wahrheit gesagt hatte.
    »Ich denke, er war ein ehrlicher Mensch«, sagte Brunetti.
    Ohne darauf einzugehen, sagte sie: »Das Foto - das ändert gar nichts, oder?« Brunetti brummte verneinend. »Aber irgendwie doch«, sagte sie. »Dadurch kommt es einem wirklicher vor.«
    Signorina Elettra war selten um Worte verlegen: Brunetti jedoch fiel jetzt keine passende Antwort ein. Vielleicht gab es keine.
    »Aber ich wollte Ihnen eigentlich etwas anderes sagen«, fing sie an, kam jedoch nicht weiter, denn jetzt vernahmen sie Schritte, und gleich darauf erschien Patta in der Tür, eingemummt wie Captain Scott, falls der Polarforscher Zeit und Gelegenheit gehabt hätte, sich in den Geschäften der Mercerie einzukleiden. Er war in einen beigefarbenen Parka mit fellgefütterter Kapuze gehüllt, die nachlässig offen stand, damit auch jeder das Futter sehen konnte. Darunter trug er ein Harris-Tweed-Jackett und einen burgunderroten Rollkragenpullover, vermutlich aus Kaschmirwolle. An den Füßen hatte er Gummistiefel, genau das Modell, auf das Raffi seinen Vater vor einer Woche im Schaufenster von Duca d'Aosta aufmerksam gemacht hatte.
    Der Schnee hatte fast jeden, dem Brunetti auf dem Weg zur Arbeit begegnet war, in heitere Stimmung versetzt, bei Patta schien er das Gegenteil bewirkt zu haben. Der ViceQuestore nickte Signorina Elettra zu - nicht direkt barsch, aber auch nicht sehr freundlich - und sagte zu Brunetti: »Kommen Sie in mein Büro.«
    Brunetti folgte ihm und wartete, während sein Vorgesetzter sich aus seinem Parka schälte. Patta legte ihn mit dem Futter nach außen - damit das unverwechselbare Burberry-Karo besser zur Geltung kam - auf einen der Stühle vor seinem Schreibtisch und wies Brunetti den anderen zu.
    »Kommen da Schwierigkeiten auf uns zu?«, begann Patta ohne Einleitung.
    »Sie sprechen von dem Mord, Signore?«
    »Selbstverständlich spreche ich von dem Mord. Ein Carabiniere - ein Maggiore, Herrgott noch mal - lässt sich in unserem Zuständigkeitsbereich ermorden. Was geht da vor? Haben die etwa vor, die Sache auf uns abzuwälzen?«
    Brunetti überlegte, ob das rhetorische Fragen sein sollten, doch schien ihm Pattas konfuse Entrüstung so echt, dass er antwortete: »Nein, ich weiß nicht, was da vor sich geht, Signore. Aber dass sie uns in die Ermittlungen hineinziehen wollen, möchte ich bezweifeln. Der Capitano, mit dem ich gestern gesprochen habe - es war wohl der, der Sie angerufen hat -, besteht darauf, dass sie den Fall selbst übernehmen wollen.«
    Patta war

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