Brunetti 18 - Schöner Schein
sachlich, ohne sich aufzuspielen, ohne die Laxheit zu kritisieren, mit der manche Behörden ihre Informationen hüteten. »Als ich nach einiger Zeit dann doch auf verschiedene Sperren stieß, musste ich mir etwas einfallen lassen.« Als sie Brunettis Miene bemerkte, erklärte sie: »Aber die Einzelheiten spielen wohl keine Rolle.«
Brunetti sah zu Pucetti hinüber und bemerkte den Blick, mit dem der Jüngere sie bei diesen Worten anstarrte. Das letzte Mal hatte er diesen Gesichtsausdruck bei einem Drogensüchtigen gesehen, als er ihm seine Spritze aus der Hand geschlagen und sie mit dem Absatz zermalmt hatte.
»... Spezialeinheit zur Untersuchung des Einflusses der Camorra auf die Müllindustrie. Wie sich herausstellt, arbeitet Signorina Landi für das Innenministerium, und zwar schon seit einiger Zeit.«
Er ahnte, dass sie noch sehr viel mehr zu sagen hatte, und fragte: »Was haben Sie sonst noch über sie herausgefunden?«
»Sie ist tatsächlich eine Zivilangestellte, eine ausgebildete Industriechemikerin. Hat in Bologna studiert.«
»Und ihre Aufgaben?«, fragte Brunetti.
»Nach dem wenigen, was ich sehen konnte, bevor... sie macht die chemischen Analysen zu all dem Zeug, das die Carabinieri finden oder beschlagnahmen.«
»Was wollten Sie da vorhin noch sagen?«, fragte Brunetti.
Sie sah ihn lange an, warf Pucetti einen Blick zu und sagte: »Dass ich das gesehen habe, bevor die Verbindung unterbrochen wurde.«
Brunetti sah erschrocken zu Pattas Bürotür, aber Signorina Elettra konnte ihn beruhigen: »Dottor Patta hat heute Nachmittag eine Besprechung in Padua.«
Brunetti bohrte nach: »Die Verbindung wurde also unterbrochen. Können Sie das einem Ahnungslosen wie mir etwas genauer erklären?«
Sie dachte kurz nach. »Das bedeutet, es gibt dort ein Warnsystem, das sofort alles dichtmacht, wenn es einen unautorisierten Benutzer entdeckt.«
»Können die das zurückverfolgen?«
»Glaube ich kaum«, sagte sie zuversichtlich. »Und falls doch, würden sie bei einem Computer in einer Firma landen, die einem Parlamentsabgeordneten gehört.« »Das ist die Wahrheit?«, fragte er.
»Ich bemühe mich immer, Ihnen die Wahrheit zu sagen«, antwortete sie, fast schon entrüstet. »Sie bemühen sich?« »Ich bemühe mich.«
Brunetti beließ es dabei, wollte ihr aber doch ein wenig Wind aus den Segeln nehmen. »Cataldos Computerleute haben festgestellt, dass jemand versucht hat, in ihr System einzudringen.«
Das bremste ihren Elan vorübergehend, aber dann sagte sie: »Diese Spur führt in dieselbe Firma.«
»Sie nehmen das bemerkenswert leicht, Signorina«, meinte Brunetti.
»Nein, das tue ich nicht. Eher bin ich froh, dass Sie mir das gesagt haben: Ein solcher Fehler wird mir nicht noch einmal unterlaufen.« Damit war das Thema für sie abgeschlossen.
»Arbeitet diese Signorina Landi in derselben Einheit wie Guarino?«, fragte Brunetti.
»Ja. Soweit ich das noch sehen konnte, besteht die Einheit aus vier Männern und zwei Frauen, dazu kommen Dottoressa Landi und ein weiterer Chemiker. Die Einheit hat ihren Sitz in Triest, eine zweite Gruppe arbeitet in Bologna.
Die Namen der anderen weiß ich nicht, und Landi habe ich nur gefunden, weil ich ihren Namen hatte.«
Es wurde still. Pucetti sah schweigend zwischen den beiden hin und her.
»Pucetti?«, sagte Brunetti.
»Wissen Sie, wo er getötet wurde, Signore?«
»In Marghera«, antwortete Signorina Elettra für ihn.
»Dort wurde er gefunden, Signorina«, wandte Pucetti respektvoll ein.
»Sonst noch Fragen, Pucetti?«, wollte Brunetti wissen.
»Wer hat die Leiche dorthin gebracht, wann ist mit dem Ergebnis der Obduktion zu rechnen, warum stand so wenig in der Zeitung, womit war er beschäftigt, als er wo auch immer getötet wurde?«, ratterte Pucetti aufgeregt herunter.
Brunetti bemerkte den Blick und dann das Lächeln, das Signorina Elettra dem jungen Beamten schenkte, als er fertig war. Aber so interessant die Antworten auf alle diese Fragen sein mochten, war doch die erste, zumindest im Augenblick, die wichtigste: Wo war Guarino getötet worden?
»Könnten Sie«, fragte er Signorina Elettra, »mit dieser Dottoressa Landi Kontakt aufnehmen?«
Sie reagierte nicht sofort, und Brunetti fragte sich, ob die Warnsysteme auch anschlagen würden, wenn sie etwas so Banales wie eine Telefonnummer zu ermitteln versuchte. Ihre Augen schienen ins Leere zu blicken, während sie offenbar ein Manöver im Cyberspace plante, das er sowieso niemals verstehen
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