Brunetti 18 - Schöner Schein
ihre Blicke sich trafen, eilte er ihr nach. Franca Marinello folgte wenige Meter vor ihnen den drei Männern, die bereits die Tür erreicht hatten. Vasco sah noch einmal in den Raum zurück. Als er die Polizisten hinter sich bemerkte, verschwand das Lächeln aus seinem Gesicht, und er ging immer eiliger mit dem jungen Mann die Treppe hinunter. Franca Marinello blieb ihnen auf den Fersen, begleitet vom leisen Stimmengewirr aus dem Spielsaal.
Die Männer blieben auf dem ersten Absatz stehen, und Vasco sagte etwas zu Terrasini, der immer noch den Kopf gesenkt hielt und nickte. Vasco und der andere tauschten über seinen Kopf hinweg einen Blick aus, und als hätten sie das schon oft geprobt, gaben sie im selben Moment seine Arme frei und traten von ihm weg.
Franca Marinello schob sich an Vascos Gehilfen vorbei und stellte sich neben Terrasini. Sie legte ihm eine Hand auf den Arm. Brunetti hatte den Eindruck, er brauchte einen Moment, sie zu erkennen, dann aber schien er sich zu beruhigen. Da die Lage sich offensichtlich entspannt hatte, kamen Vasco und sein Helfer wieder die Treppe herauf und blieben zwei Stufen vor Brunetti und Griffoni stehen.
Franca Marinello flüsterte Terrasini etwas ins Ohr. Erschrocken blickte er zu den vier Leuten auf, während sie wieder etwas zu ihm zu sagen schien. Seine rechte Hand bewegte sich so langsam, dass Brunetti nicht glauben konnte, was er da tat, bis die Hand in seinem Jackett verschwand und mit der Pistole wieder hervorkam.
Terrasini schrie etwas, Vasco und sein Helfer sahen sich nach ihm um und warfen sich dann flach auf die Treppe. Griffoni hatte ihre Pistole schon in der Hand und presste sich in möglichst großer Entfernung von Brunetti gegen das Geländer. Brunetti zog ebenfalls seine Waffe, richtete sie auf Terrasini, der sich wie in Zeitlupe bewegte, und versuchte seiner Stimme einen möglichst selbstbewussten Klang zu geben: »Antonio, wir sind zu zweit.« Er verdrängte die Vorstellung, was passieren könnte, wenn sie alle drei in diesem engen Raum das Feuer eröffneten und ihnen die Querschläger aus allen Richtungen um die Ohren pfiffen.
Als erwachte er aus einer Betäubung, sah Terrasini erst Griffoni an, dann Brunetti, dann Franca Marinello und die beiden Männer auf den Treppenstufen, dann wieder Brunetti.
»Legen Sie die Waffe auf den Boden, Antonio. Hier sind zu viele Leute, das ist gefährlich.« Brunetti sah, dass Terrasini ihm zuhörte, fragte sich aber, was seinen Blick so trüb machte: Drogen, Alkohol, Wut? Oder alles zusammen? Was er sagte, war nicht so wichtig: Auf den Tonfall kam es an, und darauf, die Aufmerksamkeit des jungen Mannes in Beschlag zu nehmen.
Signora Marinello trat dicht an Terrasini heran und sagte etwas, das Brunetti nicht hören konnte. Dann hob sie sehr langsam eine Hand, legte sie an seine linke Wange und drehte sein Gesicht in ihre Richtung. Wieder sagte sie etwas, dann streckte sie die Hand aus, zog die Mundwinkel auseinander und nickte aufmunternd mit dem Kopf.
Terrasini blinzelte verwirrt. Sein Blick fiel auf seine Hand: Er schien geradezu überrascht, die Waffe darin zu sehen, und ließ sie sinken. Unter normalen Umständen hätte Brunetti sich den beiden jetzt genähert, aber Franca Marinello stand so nah bei Terrasini, dass er, die Waffe im Anschlag, lieber auf Distanz blieb.
Wieder sagte sie etwas. Der junge Mann hielt ihr kopfschüttelnd die Waffe hin; er schien völlig durcheinander. Sie nahm die Pistole mit der linken Hand und wechselte sie in die rechte.
Brunetti ließ seine Pistole sinken und schob sie ins Halfter zurück. Als er sich wieder den beiden unten auf dem Treppenabsatz zuwandte, starrte Terrasini sie entgeistert an, holte mit der rechten Hand aus und ballte sie zur Faust. Seine linke Hand zuckte nach vorn und packte sie genau am Übergang zwischen Schulter und Hals, und Brunetti wusste, was er vorhatte.
Sie schoss. Sie schoss ihm einmal in den Bauch, dann noch einmal, und als er vor ihr auf dem Boden lag, machte sie einen Schritt auf ihn zu und schoss ihm ins Gesicht. Ihr Kleid war hellgrau und lang: Die ersten zwei Schüsse befleckten die Seide in Höhe ihres Bauchs, der dritte sprenkelte rote Tröpfchen auf den Saum.
Der Krach im Treppenhaus war ohrenbetäubend. Brunetti sah Griffoni an, deren Mund sich bewegte, doch vernahm er nur ein lautes Summen, das auch nicht aufhörte, als Griffoni den Mund längst wieder zugemacht hatte.
Vasco und der andere rappelten sich auf, sahen Franca Marinello mit der
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