Brunftzeit
Berufe, wo die Leute ihre Jobs zwar lieben und gern ausführen, in denen man aber erst einigermaßen gut verdient, wenn man die Karriereleiter schon ein gutes Stück hochgeklettert ist.
Mit Anfang, Mitte zwanzig sprang ich morgens begeistert aus dem Bett, weil ich mich so sehr auf meine Arbeit freute. Ich arbeitete in meinem Traumberuf und hätte es nicht besser treffen können. Ich hatte extremes Glück und wusste das. Nur wenige Leute sind in ihrem Job so zufrieden. Aber ich war bei Weitem nicht reich.
Nach der Universität fand meine Ex einen Job in der Werbeabteilung einer Investment-Bank. Sie gehörte zu jenen Frauen ohne Karriereplan, die einfach irgendeinen Job annehmen, von dem sie leben können. Sie war intelligent, also war der Job entsprechend gut. Sie erledigte ihn zur Zufriedenheit ihres Chefs, und alle waren glücklich.
Aber zeitgleich fingen die Probleme zwischen uns an. Sie war umgeben von sehr, sehr reichen Männern und von Frauen, die entweder selbst viel Geld verdienten oder schlicht versuchten, sich einen dieser reichen Typen als Ehemann zu angeln.
Die ersten Anzeichen ernsthaften Ärgers tauchten während einer Unterhaltung über unser Urlaubsziel auf, als ich sagte, dass meine Finanzen nicht für die Orte reichten, die ihre Kollegen besuchen würden. Sie antwortete: »Ich wollte, du wärst ein Banker.« Damals war mir die Bedeutung dieser Bemerkung nicht klar. Ich hielt es für einen jener Sätze, die einem schon einmal entschlüpfen, wenn man frustriert ist. So etwas ist mir auch schon einmal passiert.
Doch im Lauf der Zeit häuften sich diese Ereignisse. So ließ sie ab und an fallen, dass Banken Leute meines Alters (ich war damals etwa sechsundzwanzig) durchaus noch als Trainees einstellten und dass es für einen Berufswechsel, so ich ihn denn wollte, noch nicht zu spät sei. Aber ich wollte meinen Beruf nicht wechseln, ich liebte meinen Beruf noch immer und war auch erfolgreich, aber der große Durchbruch zum ganz großen Geld war mir noch nicht gelungen. Ich war noch jung, und zu meiner Verteidigung (noch heute nehme ich die Verteidigungshaltung an, obwohl es viele Jahre her ist) sei hier vorgebracht, dass in meinem Job die wenigsten Leute vor ihrem dreißigsten Geburtstag den Durchbruch schaffen.
Irgendwann verstand ich, was mit ihr los war. Mir war plötzlich klar, dass sie meine Arbeit ablehnte, weil damit keine Millionen zu verdienen waren. Sie verstand nicht, was ich daran so liebte und warum es mir gefiel, einen Großteil meines Lebens damit zu verbringen. Das Einzige, was sie interessierte, war meine Gehaltsabrechnung.
Ich erinnere mich an die Chance, einen großen Artikel in einer sehr berühmten Zeitschrift platzieren zu können. Für mich bedeutete das eine ungeheure Auszeichnung und den Höhepunkt meiner bisherigen Karriere. Als ich ihr begeistert davon erzählte, fragte sie nur, wie viel der Artikel einbringen würde. Ich nannte ihr das Honorar. Sie schnaubte und sagte: »Das ist doch nichts, worauf du stolz sein kannst.« Für mich war das eine Menge Geld, für einen Banker jedoch vermutlich nicht mehr als ein Trinkgeld im Schickimicki-Lokal. Und außerdem hatte ich für diesen Artikel Blut und Wasser geschwitzt.
Ich glaube, das war der Moment, als es in meinem Kopf »klick« machte, denn als sie mich anpflaumte, zerplatzte mein Stolz über die tolle Auszeichnung wie eine Luftblase. Warum gönnte sie mir meine Freude nicht? Obwohl ich meine Arbeit liebte und sie gut machte und obwohl ich sie und ihre Freunde mit immer neuen Geschichten unterhielt, war sie nicht glücklich, weil sie mich lieber reich gesehen hätte. Irgendwann wurde mir bewusst, dass meine Gefühle und Ambitionen für sie erst an zweiter Stelle kamen.
Und dann hatte ich die Nase voll. Sie fragte mich einmal zu oft, wann in meiner Gehaltsabrechnung endlich eine sechsstellige Summe auftauchen würde. Ich hatte das Gefühl, dass sie mich nicht verstand, dass sie nicht begriff, was ich aus meinem Leben zu machen versuchte, und – was noch schlimmer war – dass sie sich nicht darum scherte, was ich mir für mich selbst wünschte. Ich trennte mich von ihr und verspürte danach nicht den Hauch von Reue. Nicht ein einziges Mal.
Das ist inzwischen ein paar Jahre her. Meine Karriere hat den erhofften Verlauf genommen. Ich liebe meinen Job noch immer wie am ersten Tag. Die harte Arbeit hat sich ausgezahlt. Nach einer ganzen Reihe von Glücksfällen, die hauptsächlich damit zu tun hatten, dass ich zur richtigen
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