Brunftzeit
passierten). Umso erfreuter bin ich, jetzt endlich die Gelegenheit zu haben, die Sache klarzustellen.
Oh ja, ich habe durchaus schon die eine und/oder andere Dummheit begangen. Diese hier allerdings nicht.
Einer meiner Freunde – ich will ihn hier einmal Tom nennen – lief einer Frau über den Weg, mit der er an der Uni einmal ein Techtelmechtel gehabt hatte. Sie hieß Teresa. Fünf Jahre später gefiel sie ihm immer noch, und daher schlug er vor, sich auf einen Drink zu treffen. Vorab noch eine Bemerkung zu Tom: Er ist ausgesprochen intelligent, erfolgreich, witzig und sieht zudem noch gut aus. Also ein echt netter Kerl und ganz bestimmt keiner, der dumme Sachen macht.
Zumindest wirkt er so.
Ich erzähle diese Geschichte, um Ihnen zu verdeutlichen, dass alle Männer – selbst die, die auf dem Papier geradezu perfekt sind – nicht vor monumentalen und irrwitzigen Blödheiten gefeit sind. Der ideale, perfekte Mann existiert nämlich nicht. Er kann gar nicht existieren, weil wir alle nur Menschen sind und unsere Ecken und Kanten haben. Genau wie Tom.
Eine Woche nach ihrem zufälligen Treffen saßen Tom und Teresa in einer Bar im Londoner Süden. Tom wohnte ganz in der Nähe der Location, aber an jenem bewussten Abend war er ziemlich spät dran und musste das Rad nehmen, um noch rechtzeitig zu ihrer Verabredung zu kommen. Er schaffte es, und alles lief problemlos.
Sogar mehr als problemlos. Der Abend war wirklich toll. Teresa war solo, und die Chemie zwischen ihnen stimmte noch immer. Sie tranken ziemlich viel und fingen an, sich abzuknutschen. Schließlich schlug Tom vor, zusammen nach Hause zu gehen, und Teresa lud ihn in ihre Wohnung ein. Sie verließen die Bar, und Teresa winkte ein Taxi herbei. Sie wohnte nur etwa zehn Autominuten von der Bar entfernt. Alles lief wie am Schnürchen.
Nun, vielleicht doch nicht ganz.
Denn just in diesem Augenblick meldeten sich Toms männliche Dummheitsgene zu Wort. Anstatt zusammen mit Teresa ins Taxi zu steigen, weiterzuknutschen und in Teresas Wohnung sofort ins Bett zu hüpfen, fiel Tom ein, dass er sein Fahrrad nicht die ganze Nacht vor dem Pub stehen lassen wollte. Es war abgeschlossen, und das Viertel war kein sonderlich heißes Pflaster, aber er wollte es nun einmal nicht zurücklassen. Jetzt mal im Ernst – was hat der Kerl sich dabei gedacht?
Was er als Nächstes tat, trotzt jeder Logik. Die einzig vernünftige Erklärung sind die bereits erwähnten Dummheitsgene.
Tom beschloss, sein Fahrrad mit zu Teresa zu nehmen. Allerdings wusste er nicht, wo sie wohnte. Und lud er das Rad etwa in den Kofferraum des Taxis? Oh nein, das fand Tom blöd. Er hatte eine viel bessere Idee: Er würde Teresas Taxi mit dem Fahrrad folgen. Ja, Sie haben richtig gelesen! Dem Taxi mit dem Fahrrad folgen!
Sie können sich sicher denken, was geschah. Anbei ein kleiner Tipp: Ein Taxi ist schneller als ein betrunkener Mann auf einem Fahrrad.
Teresa stieg also in ihr Taxi, während Tom loszog, um sein Fahrrad zu holen. Er fummelte am Schloss herum, das schließlich aufging, stellte sich hinter das Taxi und gab dem Fahrer ein Zeichen, dass er losfahren könne.
Schon eine Minute später hatte er den Wagen aus den Augen verloren. Nach der ersten Kurve hatte er ihm noch folgen können, doch nach der zweiten waren plötzlich zwei Taxen vor ihm, und Tom hatte nicht die geringste Ahnung, in welchem Teresa saß (es war dunkel und er betrunken). Als dann plötzlich beide Autos davonschossen, war es ohnehin egal.
Aber noch war nicht alles verloren. Tom hatte Teresas Nummer in seinem Handy gespeichert.
Jetzt lasse ich Tom selbst zu Wort kommen, der da sagt: »Ich radelte gemächlich die Straße entlang und hatte keine Ahnung, wo ich hinmusste. Also griff ich in die Tasche, holte mein Handy hervor und wollte eben Teresas Nummer wählen, als eine Unebenheit auf der Straße mich ins Schwanken brachte. Nach anderthalb Flaschen Wein und mit nur einer Hand am Lenker tat ich mich schwer, das Gleichgewicht zu finden. Das Schwanken verstärkte sich.
Kurz vor dem drohenden Fall griff ich mit der anderen Hand an den Lenker. Dabei fiel mein Handy auf die Straße. Als ich das Rad wieder unter Kontrolle hatte, kehrte ich um und suchte nach meinem Telefon. In diesem Augenblick raste ein Taxi vorbei und erwischte es voll mit dem Vorderrad. Das Handy war nur noch Schrott und Teresas Nummer dahin.«
Und das war’s. Aus Tom und Teresas neu entflammter Leidenschaft wurde nichts. Benebelt und unglücklich
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