Brut des Teufels

dass es kein salomonisches Urteil geben kann.«
    Lucifuge Rofocale erwiderte nichts. Er sah wütend zu Nightingale auf, die Lippen zu einer schmalen Linie zusammengepresst.
    » Die Sache ist also die«, fuhr Nightingale fort und nahm die Hände aus den Hosentaschen. » Beide haben einen Anspruch auf ihre Seele, daran besteht kein Zweifel. Und keiner wird akzeptieren, dass der andere sie ihm wegnimmt. So, wie ich die Sache sehe, steht dir nur ein einziger Ausweg offen.«
    » Keiner von beiden bekommt ihre Seele«, sagte der Zwerg.
    » Es ist die einzige Möglichkeit, den Frieden zu wahren«, erwiderte Nightingale. » Es ist die einzige Entscheidung, die beide akzeptieren werden.«
    » Du bist ein schlauer Mann, Nightingale.«
    » Nun ja«, gab Nightingale zurück. » Wie man’s nimmt. Ich hatte im Laufe der Jahre oft genug als Vermittler zu tun, weißt du. Wir sind uns also einig? Meine Schwester bekommt ihre Seele zurück?«
    » Damit machst du dir keine Freunde, weißt du.«
    » Damit kann ich leben«, antwortete Nightingale.
    » Sugart und Frimost werden sich an dir rächen wollen.«
    » Sie wissen, wo sie mich finden können«, erklärte Nightingale.
    Lucifuge Rofocale nickte langsam. » Dann hast du also, was du willst. Deine Schwester bekommt ihre Seele zurück. Du musst sehr zufrieden mit dir sein.«
    » Geht so«, antwortete Nightingale. » Ich will halt einfach nur, dass das aufhört. Ich will, dass diese Bedrohung von ihr abfällt, damit sie mit ihrem Leben weitermachen kann.«
    Er zog einen Zettel aus seiner Tasche und begann zu lesen.
    » Moment noch!«, sagte Lucifuge Rofocale.
    Nightingale runzelte die Stirn. » Was ist denn?«
    » Wir sind noch nicht fertig«, erklärte Lucifuge Rofocale.
    » Ich schon«, entgegnete Nightingale. » Es gibt sonst nichts, was ich von dir will.«
    » Bist du dir sicher?«
    » Ja.«
    » Was ist mit Sophie?«
    Nightingale erschauerte, als wäre ihm jemand mit eiskalten Fingern über den Rücken gefahren.
    » Fragst du dich nicht, was mit ihr geschehen ist?«

94
    Kerr bewegte sich in der Hocke rückwärts über den Korridor und schüttete dabei vorsichtig Mineralöl über die nackten Bodendielen. Das Holz würde, wie er wusste, rasch Feuer fangen, aber nicht so schnell wie Teppich. Jemand hatte alle Bodenbeläge herausgerissen und ebenfalls alle Möbel und die Bilder entfernt, die einmal an den Wänden gehangen hatten. Es war ein reizendes Haus, dachte Kerr, während er rückwärts weiterrückte und Öl ausgoss, und es würde wunderschön brennen.
    Von den Öldämpfen war ihm ein bisschen schwindelig. Er liebte den Geruch von Mineralöl fast so sehr wie den Geruch brennender Streichhölzer, aber diese Dämpfe hatten ihren Preis: ein heftiger Kopfschmerz, der manchmal für Tage zurückblieb.
    Er kam zu dem Schlafzimmer, in dem er vorher von außen das Kerzenlicht durchs Fenster gesehen hatte. Kerr hörte drinnen Stimmen, und das verwirrte ihn, weil er geglaubt hatte, Nightingale befinde sich allein im Haus. Er hörte nicht, was gesagt wurde, aber das spielte ohnehin keine Rolle. Er bewegte sich weiter rückwärts den Korridor entlang zur Treppe.
    Kerr hatte perfekt kalkuliert, und als er oben bei der Treppe ankam, schüttete er den Rest des Öls auf die Bodendielen. Er trat einen Schritt zurück, stellte die Dose weg und holte seine Schachtel Swan Vestas heraus. Er schüttelte die Schachtel, schob sie dann auf und entnahm ein Streichholz. Er schnüffelte an dem Streichholz und spürte, wie seine Leistenmuskeln sich zusammenzogen. Er holte tief Luft, und die Mineralöldämpfe raubten ihm fast den Atem. Er trat noch einen Schritt zurück, zündete das Streichholz an und warf es in den Korridor. Es wirbelte durch die Luft, und als es den Boden berührte, entzündete das Öl sich mit einem brausenden Geräusch, das klang, wie wenn ein Zug in einen Tunnel einfährt.
    Kerr wäre am liebsten stehen geblieben und hätte die Flammen beobachtet, aber er zwang sich, die Dose aufzuheben und die Treppe hinunterzugehen.

95
    Angespannt ließ Nightingale den Zettel sinken und starrte den Zwerg an. Lucifuge Rofocale grinste zu ihm hoch und entblößte dabei gelbe, spitze Zähne.
    » Sophie ist tot«, flüsterte Nightingale.
    Lucifuge Rofocale lachte. » Und tot ist tot, meinst du das?«
    » Etwa nicht?«
    » Du begreifst wirklich überhaupt nichts, oder?«
    » Offensichtlich nicht.« Er fummelte an dem Zettel herum, den er in der Hand hielt. » Was hat das mit der Sache hier zu tun?«
    »