Buch Der Sehnsucht
Erdhaftigkeit und seine Weltjenseitigkeit, werden wir ihm gerecht.
IN UNSEREM HERZEN DIE LIEBE
Jeder Mensch sehnt sich danach, zu lieben und geliebt zu werden. Ich höre immer wieder Menschen darüber klagen, dass niemand sie liebt, dass sie keinen haben, der sie einmal in den Arm nimmt. Sie sehnen sich nach einem Menschen, der sie zärtlich streichelt, von dem sie sich geliebt fühlen, für den sie der wichtigste Mensch auf der Welt sind. Wenn diese Sehnsucht ins Leere geht, ble iben sie oft im Selbstmitleid gefangen. Da können die Worte des französischen Dichters Antoine de Saint-Exupéry verblüffend klingen, die in einem seiner Briefe stehen: „Ich sagte dir schon, die Sehnsucht nach Liebe ist Liebe."
Die Sehnsucht nach Liebe ist bereits Liebe? Dieser Satz hat in der Tat etwas Tröstliches, wenn man seiner Wahrheit auf den Grund geht. In der Sehnsucht nach Liebe drücke ich ja aus, dass ich liebesfähig bin. Die Sehnsucht nach Liebe enthält also bereits Liebe. Ich erfahre in der Sehnsucht die Liebe, nach der ich mich sehne. Auch wenn ich die Liebe nicht spüren kann, so kann ich doch die Sehnsucht spüren. Ich kann meine Hand aufs Herz legen und die Sehnsucht nach Liebe fühlen, die in meinem Herzen auftaucht.
Peter Schellenbaum hat in seinen Büchern immer wieder auf die enge Verbindung von Sehnsucht und Liebe hingewiesen. Es gibt keine Liebe ohne Sehnsucht und keine Sehnsucht ohne Liebe. Wir bringen Sehnsucht und Liebe auch mit der gleichen Körperstelle in Verbindung, „nämlich mitten in der Brust auf der Höhe des Herzens, da, wo die an Liebe und Sehnsucht Leidenden ihre Hände hinpressen". Wir vergewissern uns mit dieser Gebärde, dass in unserem Herzen die Liebe strömt, nach der wir uns sehnen. Gerade die Spannung der Sehnsucht macht die Liebe wertvoll und erfüllt sie mit einer unergründlichen Tiefe. Wenn Liebesglück und unsägliches Sehnsuchtsleid so eng nebeneinander liegen, dann zeigt das auch: Die Liebe weist immer schon über sich hinaus. In ihr sehnen wir uns immer auch nach absoluter und bedingungsloser Liebe, nach ewiger Lust, die kein irdischer Partner, keine irdische Partnerin uns je geben kann.
LEIDENSCHAFT
Der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel schrieb: „Es ist nichts Großes ohne Leidenschaft vollbracht worden, noch kann es ohne solche vollbracht werden." Der Psychologe Philipp Lersch nennt Leidenschaften starke Bestrebungen, die den Menschen über sich hinaus führen. In dem starken Drang, der den Menschen antreibt, etwas zu tun, ist die Sehnsucht mit der Leidenschaft verwandt. Beide sind sie eine starke Motivationskraft, positiv wie negativ nutzbar. Die frühen Mönche sahen die Leidenschaften als gefühlsbetonte Gedanken, Antriebe und Kräfte, die Menschen ganz mit Beschlag belegen. Daher gehört entscheidend zum spirituellen Leben, mit den Leidenschaften gut umzugehen - sie für den Weg zu Gott zu nutzen, hinter den Begierden die Sehnsucht zu sehen und positiv einzusetzen.
Der begehrliche Anteil wird von drei Grundtrieben bestimmt: dem Essen, der Sexualität und dem Streben nach Besitz. Es sind Triebe, die der Mensch zum Leben braucht. Aber sie können ihn auch beherrschen. Dann wird das Essen zur Völlerei, die Sexualität zur Unzucht und das Streben nach Besitz zur Habsucht. Auf keinen Fall sollte jedoch die spirituelle Dimension dieser Triebe aus dem Blick geraten: Im Essen kommt letztlich unsere Sehnsucht zum Ausdruck, mit Gott eins zu werden. In der Sexualität steckt die Sehnsucht nach Ekstase - Ziel des spirituellen Weges ist es, in der Ekstase der Liebe eins zu werden mit Gott. Und Besitz ist die Sehnsucht nach Ruhe; wahre Ruhe erleben wir aber nur in Gott.
HEILIGE RUHE
In unserer hektischen Zeit sehnen sich die Menschen nach Ruhe. Sie möchten endlich einmal den fremden Ansprüchen entgehen, die sie zu zerreißen drohen. Sie möchten abschalten und nicht mehr von der Hetze des Alltags bestimmt werden. Manche meinen, diese Ruhe sei das Gegenteil der Sehnsucht. Denn wenn ich ruhig werde, bin ich mit mir zufrieden. Dann höre ich auf, mich nach Heimat und Geborgenheit, nach Liebe und Geliebt werden zu sehnen. Der romantische Dichter Friedrich Schlegel sieht jedoch Ruhe und Sehnsucht als Einheit.
In seinem Roman Lucinde lässt er die Freundin ihren Freund fragen: „Julius, warum fühle ich in so heitrer Ruhe die tiefe Sehnsucht?" - „Nur in der Sehnsucht finden wir die Ruhe", antwortet Julius. „Ja, die Ruhe ist nur das, wenn unser Geist
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