Buch Der Sehnsucht
Sehnsucht verstellen. Wir dürfen auf unserem Weg immer wieder stehen bleiben, um die Schönheit dieser Welt zu genießen. Aber wir dürfen dabei nicht die Sehnsucht verlieren. Die Schönheit, die wir erleben, verweist auf die absolute und nicht mehr zu überbietende Schönheit Gottes. Wir müssen weiter wandern, um diese Schönheit zu suchen, die uns immer wieder entgegenstrahlt.
In gesicherten Wänden schläft, wer meint, er könne sich gegen alles absichern. Ihm könne nichts passieren. Er lullt sich ein in den Schlaf und verdrängt die Gefährdung des Menschen. Er möchte sie nicht sehen. Er schläft an gegen den Tod. Wir dürfen immer nur auf dem Weg schlafen, um uns auszuruhen. Dann wird sich die Sehnsucht auch im Schlaf zu Wort melden in Träumen, die unser Herz weiten und uns von neuem auf den Weg schicken. Wir sind Zugvögel. Unser Nest ist nur ein Nest auf Zeit. Wir sind auf dem Weg in ein anderes Land. Jesus hat das seinen Jüngern in einem Bildwort zu verstehen gegeben: „Die Füchse haben ihre Höhlen und die Vögel ihre Nester; der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann" (Lukasevangelium 9,58). Wer Jesus nachfolgen will, muss sich bewusst machen, dass er hier keine bleibende Stätte hat, kein Nest und keine Höhle, in die er sich für immer zurückziehen kann. Er ist auf dem Weg, bis er seine ewige Heimat findet. Wir sind Zugvögel, aber keine Nesthocker, Zugvögel, die „sehnsüchtig nach anderem Land" Ausschau halten und darauf zufliegen.
BIS UNSER HERZ RUHIG WIRD
Für Augustinus, den großen Denker der frühen Christenheit, ist die Sehnsucht das Grundexistential des Menschen. Er weiß: Alle Endlichkeit und Vorläufigkeit verlangt nach Unendlichkeit, nach Endgültigkeit, nach dem Ewigen. Gott selbst hat uns die Sehnsucht nach ewiger Gemeinschaft mit ihm ins Herz gelegt. Ob wir wollen oder nicht, in allem, wonach wir leidenschaftlich suchen, sehnen wir uns letztlich nach Gott. Wenn wir mit allen Kräften nach Reichtum trachten, so wird der Besitz unsere Sehnsucht nicht erfüllen. In der Suche nach Reichtum steckt die Sehnsucht nach Ruhe. Aber das Fatale ist, dass der Besitz uns besessen macht und noch me hr in die Unruhe treibt. Wenn wir nach Erfolg streben, so verbirgt sich dahinter die Sehnsucht, wertvoll zu sein. Aber wir wissen zugleich, dass kein Erfolg unsere Sehnsucht zu stillen vermag. Unseren eigentlichen Wert erfahren wir erst in Gott. Jeder Mensch sehnt sich im Grunde danach, geliebt zu werden und selbst zu lieben. Wir brauchen nur in der Zeitung zu lesen, um zu entdecken, wie viele solcher Sehnsüchte unbefriedigt bleiben oder in Einsamkeit und Verzweiflung enden. Und dennoch steckt in jeder kleinen Liebe, auch in der ganz und gar sexuellen Liebe die Sehnsucht nach der absoluten Liebe. Wir kennen alle das berühmte Wort des Augustinus: „Unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet in dir, mein Gott." Der Mensch ist erfüllt von einem unstillbaren Hunger nach absoluter Heimat, nach unbegrenzter Geborgenheit, nach dem verlorenen Paradies. Auch wenn sich das menschliche Verlangen äußerlich auf andere Ziele richtet, so ist das letzte Ziel immer unendlich. Auch bei Menschen, die sich selbst nicht als fromm oder gläubig bezeichnen, pocht diese Sehnsucht nach mehr, nach dem ganz Anderen, nach dem, der allein genügt. Wenn wir unsere Wünsche und Sehnsüchte zu Ende denken, werden wir letztlich immer auf die Sehnsucht nach Gott stoßen. Augustinus hat zeit seines Lebens gesucht: zuerst in der Beziehung zu einer Frau, dann in der Philosophie, in der Wissenschaft, im Erfolg, in der Freundschaft. Und am Ende musste er sich eingestehen, dass das letzte Ziel seines Suchens Gott war. Erst als er ihn gefunden hatte, kam sein Herz zur Ruhe. Und er sagte von sich: „Ich glaube nicht, dass ich etwas finden kann, wonach ich mich so sehne wie nach Gott."
ZU EINFACH?
Die Sehnsucht nach Einheit drückt sich heute auch aus in der Sehnsucht nach der Einfachheit. Für viele Menschen ist das Leben zu kompliziert geworden. Sie sehnen sich nach dem einfachen Leben. Das ist nicht nur eine Idee, die die Romantiker verkündet haben. Noch heute spricht diese Sehnsucht nach der Einfachheit im Lebensstil viele Menschen an. Das Leben zu vereinfachen, das ist heute ein Schlagwort geworden. Mit der Vorstellung „einfacher leben" verbindet der evangelische Pfarrer Werner Tiki Küstenmacher auch ein Ideal: „glücklicher leben". Sein Buch „Simplify your life" wurde zu einem
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