Buch Der Sehnsucht
Für die Pflanze Mensch". Die biblische Schöpfungsgeschichte klingt hier an, die davon berichtet, wie Gott den Menschen aus der Erde formt. Es ist die Sehnsucht, die die Erde durch ihre Finger rinnen lässt, um den geeigneten Boden für die Pflanze Mensch zu suchen. Offensichtlich genügt die Erde nicht allein, damit der Mensch daraus wachsen kann. Es braucht den immateriellen Stoff der Sehnsucht, der sich mit der Erde verbindet, damit aus ihr der Mensch entstehen kann. Poetische Texte sind offen für ein vielfältiges Verständnis. Der Bekannte, der das Gedicht über seinen Weihnachtsbrief gesetzt hatte, hat es offensichtlich auch als Beschreibung der Geburt Jesu gelesen: Gott verbindet sich in der Geburt Jesu mit der Erde. Er wird Fleisch. Er inkarniert sich, er gräbt sich in die Erde ein. In Jesus hat sich die göttliche Sehnsucht mit der Erde verbunden. Wir vermögen nur wahrhaft Mensch zu werden, wenn wir das Erdhafte in uns annehmen und lieben und zugleich im Erdreich unserer menschlichen Existenz die göttliche Sehnsucht wahrnehmen. Erde und Sehnsucht, diese beiden Pole braucht der Mensch, um wahrhaft Mensch zu sein. Ohne Sehnsucht bleibt die Erde, was sie ist. Und ohne Erde wird die Sehnsucht allzu leicht zur Flucht in himmlische Gefilde. Doch nur wenn die Erde unseres Menschseins durch die Finger der Sehnsucht geronnen ist, bietet sie uns den Boden an, auf dem wir gedeihen können.
STERNENBILDER
Sterne sind Sinnbild menschlicher Sehnsucht. Sie leuchten in der Nacht, und sie strahlen über dem ganzen Erdkreis. Sie sind also Symbole der Hoffnung und der universalen Einheit. Seit jeher waren die Menschen fasziniert vom hellen Licht des Morgen- und Abendsterns. Am eindrücklichsten erzählt die Weihnachtsgeschichte von diesem Bild. Die Magier haben einen Stern gesehen und lassen sich von ihm leiten. Ein wunderbares Sternenbild wurde in der Antike als Zeichen der Ankunft des ersehnten Messias verstanden. In Qumran wurde das Kommen des Messias mit dem Aufgehen eines Sternes verglichen: „Es wird sein Stern am Himmel strahlen gleich einem König." Die Kirchenväter nehmen diese kosmische Erfahrung des Sterns auf und beziehen sie auf Christus. Das Licht des Sterns hat ja einen eigenen Glanz. Die Sprache der Liebe läßt uns erahnen, was an Weihnachten geschieht: Da leuchtet uns in Christus ein Stern auf an unserem nächtlichen Himmel. Da bringt Christus durch seine Liebe Licht in unsere Dunkelheit. Der Stern, der am Himmel steht, verweist uns auf den Vater, der im Himmel ist. Er ist Bild unserer Sehnsucht nach dem ganz Anderen. Was wir am Himmel sehen, das ist aber immer auch eine Wirklichkeit in uns. Wir sprechen von dem Stern, der am Horizont unseres Herzens aufgeht, wenn wir mit unserer Sehnsucht in Berührung kommen, und wir spüren, dass unser Herz weit über alles Alltägliche hinausreicht, bis in die Welt Gottes, in der wir wahrhaft daheim sind. Angelus Silesius hat wohl in unübertroffener Weise gedichtet, was Christus als der Morgenstern für uns ist: „Morgenstern der finstern Nacht, der die Welt voll Freuden macht. Jesu mein, komm herein, leucht in meines Herzens Schrein."
Seit jeher haben die Menschen ihre Sehnsüchte in die Sterne verlagert. Und die Sterne haben immer eine Faszination ausgeübt. Wenn wir als Kinder das Lied gesungen haben „Weißt du, wieviel Sternlein stehen", dann gab uns das die Gewissheit, dass Gott es gut mit uns meint, dass wir unter seinem Sternenhimmel daheim sind. Solche Assoziationen spielen mit, wenn wir zu Weihnachten an den Stern denken, der Jesu Geburt angezeigt hat, und wenn wir die Weihnachtssterne an den Christbaum oder an die Fenster hängen. Durch diese Geburt ist diese Welt uns Heimat geworden. Da leuchtet überall der gleiche Morgen- und Abendstern über uns am Himmel und läßt uns überall daheim sein. Und Weihnachten lädt uns dazu ein, dass wir selbst für andere zum Stern werden, der ihre Nacht erhellt und ihnen das Gefühl von Heimat schenkt. Wenn Menschen in einem solchen übertragenen Sinn vo n einem Stern sprechen, heißt das: Es ist etwas eingebrochen in ihre Nacht, etwas Glänzendes, etwas Liebes. Mit dem Stern ist Hoffnung in ihnen aufgekeimt. Der Stern weist den Weg. Er begleitet und macht das Leben weit. Der Weihnachtsstern sagt uns etwas, was über die Weihnachtszeit hinaus für unser Leben gilt. Seit jeher waren die Menschen fasziniert vom hellen Licht des Morgen- und Abendsterns: Wir sind nicht nur ein Mensch der Erde,
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