Buch des Todes
»Und, ist Ihnen das gelungen?«
Vatten: »Nein, das ist es wohl nicht.«
Singsaker: »Manche Dinge wird man wohl nie los, denke ich. Ich würde gerne mit Ihnen über Ihr Fahrrad reden?«
Vatten: »Über mein Fahrrad?«
Singsaker: »Ja, richtig, über Ihr Fahrrad. Es geht noch einmal um den Tag, an dem Sie sich in Dragvoll in den Bus gesetzt haben, um nach Hause zu Frau und Sohn zu kommen. Morgens zur Uni sind Sie aber mit dem Fahrrad gefahren, oder?«
Vatten: »Ich denke schon, ja.«
Singsaker: »Das sind Sie, definitiv. Ich habe das in den Unterlagen über den Fall nachgeschlagen. Ich weiß nur nicht mehr, ob wir Sie jemals gefragt haben, warum Sie nicht mit dem Fahrrad nach Hause gefahren sind.«
Vatten: »Ich war betrunken.«
Singsaker: »Genau. Sie waren nach einem Glas Whisky betrunken, weil Sie hypersensitiv auf Alkohol reagieren – ist das richtig so?«
Vatten: »Das stimmt.«
Singsaker: »Können Sie mir das etwas genauer erklären? Was hat es mit dieser Hypersensitivität auf sich? Davon hört man ja nicht gerade oft. Teenager sind nach einer Flasche Bier betrunken, okay, aber Erwachsene, die hypersensitiv sind? Gibt es dafür eine Diagnose?«
Vatten: »Nicht, dass ich wüsste.Aber ich habe mit Ärzten darüber gesprochen, und es gibt tatsächlich eine medizinische Erklärung. Oder besser gesagt, mehrere.«
Singsaker: »Und welche?«
Vatten: »Vermutlich fehlen in meinem Darm ein oder mehrere Enzyme. Diese Enzyme verhindern, dass der gesamte Alkohol über den Darm aufgenommen wird, aber sie sind nur bei kleinen Mengen Alkohol effektiv, was erklärt, weshalb Menschen deutlich intensiver auf das dritte oder vierte Bier reagieren als auf die beiden ersten. Fehlen einem diese Enzyme, geht der Alkohol vom ers ten Tropfen an ins Blut. Sie haben Teenager erwähnt. Nun, es ist nachgewiesen worden, dass die Enzymkonzentration bei Frauen deutlich geringer ist als bei Männern. Deshalb sind sie schneller betrunken. Teenager haben darüber hinaus oft auch noch ein geringeres Körpergewicht, und so weiter.«
Singsaker: »Vatten, Sie sind kein sonderlich kräftiger Mann, aber ganz sicher auch keine Teenager.«
Vatten: »Das stimmt.Aber bei mir fehlen diese Enzyme vermutlich, dazu kommen aber vermutlich auch noch ein paar weitere Faktoren.«
Singsaker: »Als da wären?«
Vatten: »Besondere physiologische Voraussetzungen. Die Biologie des Hirns. Ich weiß es ehrlich gesagt nicht.«
Singsaker: »Dann können Sie also nicht beweisen, dass Sie nach einem Glas Whisky vollkommen betrunken sind?«
Vatten: »Wenn Sie es so ausdrücken wollen, nein.Aber warum sollte ich eine derart krude Geschichte erfinden? Das wäre doch ziemlich seltsam? Ich hätte damals schließlich auch vorgeben können, mehr als nur ein Glas getrunken zu haben und auf ganz normale Art betrunken geworden zu sein.«
Singsaker: »Das hätten wir untersuchen können, das wissen Sie genau.Außerdem, wo hätten Sie die anderen Gläser getrunken? Mit Ihren Kollegen? Oder in der Kantine? Das alles hätten wir überprüfen können.«
Vatten: »Klar, ich weiß, dass Sie das können. Für mich war aber viel entscheidender, dass das eine Lüge gewesen wäre. Und ich habe nicht gelogen. Sie sind damals selbst zu dem Schluss gekommen, dass die Frage, warum ich in diesem Bus war, gar nicht so wichtig ist. Entscheidend ist doch, dass ich dringesessen habe und dass Sie mir nie das Gegenteil beweisen konnten.«
Singsaker: »Wollen Sie damit sagen, dass es diese Beweise gegeben hätte?«
Vatten (seufzt tief): »Das macht so doch keinen Sinn. Nein, das will ich damit ganz sicher nicht sagen. Ich war in diesem Bus. Und jetzt bin ich freiwillig mitgekommen, um über einen ganz anderen Fall zu sprechen.Vielleicht sollten wir jetzt damit beginnen?«
Brattberg: »Ja, lassen Sie uns das tun. Sie haben also Gunn Brita Dahle tot im Sicherheitstrakt gefunden?«
Vatten: »Richtig. Gemeinsam mit einer Kollegin.«
Brattberg: »Und wer war diese Kollegin?«
Vatten: »Siri Holm. Eine neu eingestellte Bibliothekarin.«
Singsaker: »Und was hatten Sie im Sicherheitstrakt zu tun?«
Vatten (nach kurzer Pause): Wir wollten Siris neuen Code ausprobieren.«
Singsaker: »Siris neuen Code?«
Vatten: »Ja, richtig.Wie ich bereits sagte, braucht es zwei Codes, um den Sicherheitstrakt zu öffnen. Einen davon habe ich, den anderen die Bibliothekare.«
Brattberg: »Alle Bibliothekare?«
Vatten: »Nein, nur einer oder eine der Bibliothekare.«
Singsaker: »Und jetzt hat
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