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Buch des Todes

Buch des Todes

Titel: Buch des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Brekke
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eigentlich nur auf seinen morgendlichen Spaziergängen und bei seinen Vorlesungen trug. Der Barbier und der Junge konnten nichts anderes tun, als ihm still zuzuhören. Galenos und das Innere des menschlichen Körpers war ein Thema, bei dem der Meister sich immer echauffierte, sodass ihm der Speichel beim Reden aus dem Mund spritzte.
    »Mein Gott! Affen!«
    Der Junge hatte nie zuvor einen Affen gesehen, aber die Kinder auf der Straße erzählten noch immer begeistert von dem Händler, der in dem Sommer, bevor der Barbier und der Junge in die Stadt gekommen waren, mit drei Affen auf dem Markt aufgetaucht war.
    Der Händler hatte allen dreien Hüte genäht, und die Affen führten eine Nummer auf, in der sie Handwerker mit verschiedenen Werkzeugen nachahmten. Nachdem einer der Affen dann aber einem Markgrafen mit einem Hammer auf den Kopf geschlagen hatte, war der Händler des Marktes verwiesen worden. Der Markgraf war nur dank des hohen Hutes, den er sich erst am Morgen gekauft hatte, nicht ernsthaft verletzt worden. Interessanterweise hat ebenjener Adelige, ein Student aus dem Norden Deutschlands, die Affen gekauft, nachdem der Händler nicht mehr mit ihnen auftreten durfte.Was er mit ihnen getan hatte, war der Grund für Meister Alessandros wütenden Aufmarsch.
    Der Junge hatte die Affen zwar nie selbst zu Gesicht be kommen, kannte aber die Zeichnungen an den umliegenden Hauswänden, die die anderen Kinder von ihnen gemacht hatten. Sie sahen aus wie Menschen mit langen Armen. Und auch in einem Buch, das der Meister aus dem Orient mitgebracht hatte, fand sich das Bild eines solchen Tieres, gemalt von einem wahren Meister seines Fachs. Er konnte darauf deutlich erkennen, dass Affen Tiere mit Pelz und großen, dummen Augen waren. Und genau davon sprach der Meister, während er im Kreis lief und mit einer Feder herumwedelte, als wollte er vor sich etwas in die Luft schreiben.
    »Sprachlose, geistlose Viecher ohne jede Ähnlichkeit mit dem Menschen.Was können sie uns schon über die Geheimnisse des menschlichen Körpers verraten?«
    Die Geheimnisse des menschlichen Körpers. Das griff er immer wieder auf, dachte der Junge.Vermutlich liebte der Meister diesen Ausdruck so, weil er ganz genau wusste, dass diese Geheimnisse für andere viel geheimer waren als für ihn selbst, da er in gewisser Weise selbst Teil dieses Geheimnisses war. Und jetzt, da er mit roten Wangen im Kreis herumlief, hatte er ihnen auf seine spezielle Weise anvertraut, dass er mehr wusste, als Galenos auch nur erahnt hatte.
    Galenos’ berühmtes anatomisches Wissen war zu einem ewigen Pensum erhoben worden, nicht nur durch Galenos’ eigene, vor Urzeiten dem Gott Asklepios gewidmete und am Rande der strahlenden Stadt Pergamon gelegene Akademie, sondern auch in allen späteren Studien über das Innere des Menschen, sei es an der medizinischen Schule in Salerno, an den Universitäten oder hier in Padua, wo Meister Alessandro selbst lehrte.
    Der Junge hatte ihn immer wieder über die Lehre Galenos’ dozieren hören.Am Katheder nannte der Meister den Enddarm Rektum, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, und er erwähnte mit keiner Silbe, dass der Enddarm eines Mannes krumm und nicht gerade war, einzig und allein, weil Galenos ihn das so gelehrt hatte.Aber dann tauchten also diese Affen auf Alessandros Tisch auf. Der rachsüchtige, norddeutsche Markgraf hatte sie der medizinischen Fakultät der Universität vermacht, nachdem er die Tiere fast ein Jahr lang in seiner Studierkammer gehalten hatte.Auf diese Weise waren die Tiere unter den sachkundigen Messern des Barbiers und Meister Alessandros gelandet. Keine öffentliche Sektion, sondern eine ausgiebige nächtliche Studie der Anatomie des Affen.
    Der Junge hatte an diesem Abend nicht dabei sein dürfen. Das hatte ihn sehr enttäuscht, denn es wäre die letzte Gelegenheit, leibhaftig einen Affen zu sehen.Während der Arbeit war es dem Meister wie Schuppen von den Augen gefallen. Dass Galenos seine Sektionen an Tieren durchführte, war allgemein bekannt, doch die Tragweite dieser Tatsache war dem Meister erst beim Öffnen der Affen bewusst geworden: Affen hatten eine vollkommen andere Anatomie als Menschen.Als Modell, um den Menschen zu verstehen, waren sie nicht zu gebrauchen. Diese Erkenntnis hatte ihn wie ein Blitz getroffen, und der Junge sah, dass der Meister diese Tatsache mitunter gerne vom Katheder geschrien hätte.Affen haben ein Rektum, Menschen nicht.Aber er blieb stumm. Er machte sich seine

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