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Buch des Todes

Buch des Todes

Titel: Buch des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Brekke
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Haut.
    Der Junge betrachtete den Barbier, der neben dem Meister stand. Sein Blick war noch immer finster, aber der Junge bezweifelte, dass er noch an das dachte, was eben zwischen ihnen vorgefallen war. Der Junge lebte jetzt seit zwei Jahren mit ihm zusammen und kannte ihn. Er ahnte, was das eigent liche Problem war.Verletzter Stolz. Den Barbier plagte, dass er seine geliebten Messer einem anderen überlassen musste. Der Junge sah sie alle scharf und glänzend unter sich liegen, sorgsam und systematisch auf eine weiße Decke auf einem kleinen Tischchen aufgereiht, das hinter der Leiche stand. Die einzige Aufgabe des Barbiers bestand darin, dem Meister die Messer zu reichen, nach denen er verlangte. Er war vom Chirurgen zum Handlanger degradiert worden. Zwar durfte er der gesamten Sektion aus nächster Nähe beiwohnen, aber der Junge wusste mittlerweile, dass eine Sektion für den Barbier kein Schauspiel für die Augen war. Für ihn lag das Erlebnis im Auftrennen, im Schneiden, im Brechen der Knochen. Es war eine Entdeckungsreise für seine Finger. Eine Messerübung. Für ihn zählte vorrangig das Vordringen mit seinen Messern in die Tiefen des menschlichen Körpers, nicht, was es dort zu finden gab.Verletzter Stolz und Neid loderten im Blick des Barbiers, als dieser gehorsam hinter seinem Lehrmeister stand.
    Die Sektion dauerte fünf Stunden und endete erst bei Einbruch der Dunkelheit. Der Junge war von der Leiter nach unten geklettert, als sie sich dem Kopf und den Augen zugewandt hatten. Er wollte nicht sehen, wie das Gesicht zerstört wurde. Stattdessen ging er ins Bett und träumte Träume, die in seiner Nase brannten.
    *
    Als später am Abend die Tür seiner Kammer aufgerissen wurde, vergingen ein paar Sekunden, bis ihm bewusst wurde, dass er wach war und die Wirklichkeit zu Besuch gekommen war. Der Barbier nutzte seine Verwirrung, um ihn zu überrumpeln. Er sprang vor und legte ihm die Hand auf den Mund.
    »Was hast du mit der Leiche gemacht, du Hund?«, flüsterte er.
    Der Junge konnte nicht antworten, weil der Barbier seine Hand so fest auf seinen Mund presste.
    »Du hast alles kaputt gemacht. Eine Leiche ist für die Messer da. Es geht immer nur um die Messer. Man fasst sie nicht so an, wie du das getan hast.Was ist nur in dich gefahren? Deine Mutter hat mir gesagt, dass ein Teufel in dir haust. Ich habe das immer für einen Schutzengel gehalten. Jetzt zeigt sich, dass deine Mutter recht hatte.«
    Der Barbier legte seine freie Hand auf den Hals des Jungen. Der Junge riss die Augen auf, und in dem matten Schein des Mondes, der draußen am Himmel stand, glaubte er eine Träne über die Wange des Barbiers laufen zu sehen, als dieser zudrückte. Erst wurde ihm schwindelig. Die Nacht war plötzlich voller Licht, ehe eine Finsternis über ihn schwappte, wie er sie noch nie erlebt hatte.
    »So hat mich das Glück denn wieder verlassen«, sagte der Barbier irgendwo in der Dunkelheit.
    Er spürte ein wiederkehrendes Schaukeln und Schütteln. Ich bin auf dem Weg nach unten, das ist der Weg in die Hölle, war sein erster Gedanke. Seine Augenlider begannen zu zucken. Er blinzelte mehrmals, konnte den Blick nicht scharfstellen.Als das Blinzeln aufhörte, lag er mit offenen Augen da und erkannte, dass er auf einem Karren lag.Vor ihm saß der Barbier und leitete den Esel. Dann fahren wir also zusammen in die Hölle, dachte er und drehte den Kopf zur Seite. Den Feldweg kannte er. Das war nicht der Weg in die Verdammnis, nicht wirklich.
    Seine einzige Überlebenschance bestand darin, dass er ganz still lag und so lautlos atmete, wie er konnte. Der Karren bog um die Ecke des Friedhofs der Unschuldigen und blieb auf der Rückseite stehen. Der Junge rührte sich nicht, während der Barbier außerhalb der Mauern ein Grab für ihn aushob.Als er es tief genug wähnte, kam er zum Karren und packte den Jungen bei den Haaren. Er biss die Zähne zusammen, um nicht zu schreien, als der große Mann ihn an den Haaren vom Karren zog wie Schlachtvieh. Dann wurde er mit Fußtritten des Barbiers über den Boden gerollt, bis er ins Grab fiel. Er landete auf dem Rücken, eine Hand vor dem Gesicht. Der Barbier hatte es eilig und begann sogleich, Erde auf ihn zu schaufeln. Der Junge pries die Dunkelheit, die es ihm erlaubte, die Hand so über den Mund zu schieben, dass er einen kleinen Hohlraum zum Atmen bekam. Bald darauf war alles schwarz, und ein gewaltiger Druck legte sich auf seine Brust. Der Junge blieb reglos liegen und lauschte, bis er

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