Buchanan - 06 - Schattentanz
Fragen beantworten und sich selbst belasten, sodass sie eingesperrt werden könnte? Das Ganze war einfach surreal.
Die Zelle allerdings war äußerst real. Sie befand sich um die Ecke. Die Polizeichefin führte Jordan hinein und schloss die Tür ab.
»Ich sperre Sie ein, damit Sie nicht weglaufen, während ich mit den Leuten von der Spurensicherung rede. Den Schlüssel nehme ich mit, falls jemand vorbeikommen sollte und Sie herauslassen will.«
Jordan schwieg. Sie brachte kein Wort heraus. Sie war sprachlos. Sie musste sich erst einmal beruhigen und ihre Gedanken sammeln, deshalb setzte sie sich auf die Liege und atmete tief durch. Nach ein paar Minuten schloss sie die Augen und versuchte sich an die Yogaübung zu erinnern, die einem inneren Frieden schenken sollte. Na ja, innerer Friede war vielleicht in ihrer Lage nicht zu erreichen, aber sie wäre schon zufrieden, wenn sich ihr Herzschlag und ihre Atmung normalisieren würden.
Mehr als zwei Stunden vergingen, bis die Polizeichefin wieder auf die Wache kam. Sie öffnete die Zellentür und brachte einen Stuhl mit. Jordan hörte, wie die Assistentin im anderen Raum etwas murmelte, verstand aber nicht, was sie sagte.
»Weint Ihre Assistentin?«, fragte Jordan.
Die Polizeichefin erstarrte. »Natürlich nicht. Das wäre nicht besonders professionell.«
Ein lautes, deutliches Schluchzen war zu vernehmen.
»Dann habe ich mich wohl geirrt«, sagte Jordan.
»Ich werde dieses Verhör aufzeichnen«, verkündete Haden und legte ein kleines Aufnahmegerät auf die Liege.
Die Polizeichefin war ja wohl unglaublich unfähig. Jordan hätte sie am liebsten gefragt, ob sie schon jemals in einem Mordfall ermittelt hatte. Aber diese Frage würde sie nur wütend machen, vor allem wenn Jordan sie darauf hinwies, dass sie noch keine Rechtsbelehrung erhalten hatte.
»Sind Sie bereit, mir meine Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten?« Haden wartete gar nicht erst darauf, dass Jordan etwas sagte. »Zuerst können Sie mir einmal erklären, wieso Sie mit einem Auto in der Gegend herumfahren, ohne zu wissen, dass eine Leiche im Kofferraum liegt.«
Ihr anklagender Tonfall kam bei Jordan nicht gut an.
»Ich habe Ihnen doch bereits gesagt, dass ich den Wagen aus der Werkstatt geholt und erst am Supermarkt in den Kofferraum geschaut habe.«
»Und dieser Freund von Ihnen, dieser Professor MacKenna, trifft sich an einem Tag mit Ihnen und wird zwei Tage später ermordet – und Sie haben keine Ahnung, wie das passiert ist, richtig?«
»Ich sollte wohl einen Anwalt hinzuziehen, wenn Sie mir weiter solche Fragen stellen«, erklärte Jordan höflich.
Chief Haden tat so, als hätte sie nichts gehört.
Das Spiel beherrsche ich auch, dachte Jordan, und tat so, als verstünde sie keine einzige der Fragen, die die Polizeichefin ihr stellte.
Schließlich hörte Haden frustriert auf. »Ich dachte, wir könnten uns nett unterhalten«, sagte sie.
Jordan legte den Kopf schräg und blickte die Frau an. »Sie haben mich in eine Zelle gesperrt und nehmen jedes Wort auf, das ich sage. Mir kommt das nicht besonders nett vor.«
»Hören Sie mir mal zu. Mich können Sie mit Ihrem Gerede vom FBI und Justizministerium nicht so einschüchtern wie die Dickeys. Einen Anwalt können Sie sich nehmen, wenn ich es Ihnen erlaube, und wenn Sie nicht kooperieren, machen Sie sich nur umso verdächtiger.«
Sie stellte das Aufnahmegerät ab und verkündete Jordan endlich ihre Rechte. Dann verließ sie die Zelle. Den Stuhl nahm sie mit und knallte die Tür hinter sich zu.
Eine Stunde später steckte sie den Kopf wieder hinein und sagte: »Hier ist ein Telefonbuch. Sie können sich einen Anwalt heraussuchen. Meinetwegen können Sie sich auch einen aus dem Osten kommen lassen, aber Sie werden in dieser Zelle sitzen, bis Sie meine Fragen beantwortet haben. Mir ist es egal, wie lange das dauert.« Sie reichte ihr das Telefonbuch und fügte hinzu: »Sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie Ihren Anruf machen möchten.«
Konnte sie tatsächlich wegen Mordes angeklagt werden?, dachte Jordan. Wenn sie doch nur wüsste, um welche Uhrzeit der Professor in etwa ermordet worden war, dann wüsste sie wenigstens, ob sie für die fragliche Zeit ein Alibi hatte. Sie hoffte nur, es war nicht in der Nacht geschehen. Jordan konnte nicht beweisen, dass sie in ihrem Motelzimmer geblieben war. Sie könnten behaupten, dass sie zum Haus des Professors gelaufen war und ihn getötet hatte. Aber wie hätte sie dann die Leiche in den Kofferraum
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