Bucheckern
›Blanco‹ stand. „Bleibt sitzen“, hatte er zu seinen Kindern gesagt, aber fest damit gerechnet, dass sie nicht gehorchen würden. Er wollte gerade durch das kleine Fenster mit dem blau uniformierten Wachmann sprechen, als Lisa und Max auch schon bei ihm waren.
„Unser Flugzeug ist in Ihren Baum gestürzt“, rief Max ganz aufgeregt.
„Ja, da hinten“, Lisa zeigte mit dem ausgestreckten Arm die Richtung. „Wir müssen es holen, hoffentlich ist es noch heil. Es gehört uns doch gar nicht.“
Ihr Vater versuchte, auch zu Wort zu kommen. „Die Steuerung muss versagt haben, da bei Ihren alten Backsteinhallen.“
Der Pförtner schaute ihn etwas merkwürdig an, worauf Sternberg ihn aufklärte: „Funkferngesteuert, ein Modellflugzeug natürlich.“
„Ja“, Max unterdrückte einen Schluchzer, „ein Weißes. Es ist über den grünen Zaun geflogen. Papa konnte gar nichts mehr machen.“
„Können Sie uns helfen? Bitte!“ Lisa schaute den Wachmann mit leicht feuchten Augen an.
„Na, da will ich mal sehen, was sich machen lässt“, sagte der und wählte auf seinem Telefon eine kurze Nummer.
„Nein, ein Modellflugzeug ...“ Sternberg konnte nur Gesprächsfetzen verstehen. „Ja, hier bei mir am Tor ... ein Vater mit zwei Kindern ... muss wohl hinten beim neuen Zaun sein ... ach ihr habt das auf dem Monitor ...“
„Einen Moment bitte“, sagte der Pförtner dann. „Ein Kollege kommt gleich, dem können Sie es dann zeigen. Fahren Sie doch schon mal durch die Schranke hier rein und dann bis dort vor.“ Er zeigte auf den Eingang einer ziemlich neuen Produktionshalle.
„Vielen Dank“, Sternberg war erleichtert, dass sie nicht abgewiesen wurden. Die verzweifelten Kinder passten doch prima in das Konzept, auch wenn sie nicht ahnen konnten, worum es in Wirklichkeit ging.
Ein weiterer blau Uniformierter trat aus dem angegebenen Eingang und ließ sich alles nochmals genau erklären.
„Haben Sie eine lange Leiter? Es ist ziemlich weit oben“, beschrieb Max ganz sachkundig die Stelle, wo der Flieger im Baum hängen geblieben war.
Ohne weiter auf den Jungen einzugehen, forderte der Wachmann Sternberg kurz angebunden auf, ihm nachzufahren. Er selbst setzte sich auf ein Klapprad, das neben dem Hallentor stand und strampelte los. Sie fuhren dicht hinter ihm her. Vorbei an drei neueren, blechverkleideten Fabrikhallen kamen sie zu den älteren Bauten, die aus rötlichem Ziegelstein errichtet waren.
„Hier parken!“ Ziemlich barsch wies ihnen der Wachmann seitlich einen Platz zu. „Da müssen noch LKWs durchfahren können.“
Er entriegelte ein großes Vorhängeschloss, um dann ein graues Schiebetor zu öffnen. Als Sternberg und die Kinder hindurch gegangen waren, schob er es wieder zu. Durch stark verdreckte Oberlichter drang etwas Licht in die Halle. Sie eilten ihrem wortkargen Führer nach und Sternberg erkannte, dass das Gebäude bis auf einen geparkten weißen Kastenwagen und etwas Gerümpel ganz leer war.
„Wird hier drin gar nicht gearbeitet?“, versuchte er ein Gespräch zu beginnen.
„Nein, hier nicht und außerdem geht Sie das nichts an. Kommen Sie, weiter.“
Auf der anderen Seite sperrte er mit einem großen alten Schlüssel eine massive Stahltüre auf. Der Schein der Abendsonne drang in die staubige Halle. Sternberg und seine Kinder traten hinaus und schauten suchend umher. Lisa hatte das Flugzeug als erste entdeckt. Die schwächer werdenden Sonnenstrahlen reflektierten auf den weißen Tragflächen. „Da drüben“, rief sie und zeigte zu dem großen Baum.
„Au, wie kommen wir nur da hin?“ Sternberg betrachtete die hohen Brennnesseln und dornigen Sträucher, die die Fläche bis zum Zaun bedeckten.
Der Werksschutz-Mann ging ihnen voraus auf einem schwach ausgetretenen Pfad dicht an der Hallenwand entlang, bis sie fast bei dem Baum waren. Zehn Meter mussten sie sich noch durch die stachelige Wildnis kämpfen. Die Kinder hielten sich geduckt hinter ihrem Vater und vermieden ängstlich jeden Hautkontakt mit den großen Brennnesselblättern.
Unter dem Baum war das Gestrüpp nicht so hoch. Der Schatten der großen Krone verhinderte im Sommer wohl das Aufwachsen anderer Vegetation. An einigen Stellen wuchs sogar nur etwas Gras, das jetzt im Herbst schon abzusterben begann.
„Fünf Meter mindestens“, schätzte der Wachmann die Höhe bis zu der Astgabel, in der das Modellflugzeug mit seinen Tragflächen hängen geblieben war.
„Reingeflogen ist es viel weiter oben. Muss wohl noch
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