Bucheckern
Wieso was haben unsere Kinder ...“
„Ja, wie alt sind die denn“, fragte Lindt noch einmal voller Ungeduld.
„Also, die Lisa ist dreizehn und der Max ist elf. Aber wieso, worum geht’s denn?“ Fast stotterte der junge Kollege bei der Antwort, weil er in der Frage seines Chefs überhaupt keinen Sinn entdecken konnte. „Ist was mit den Kindern?“
„Nein, gar nicht“, Lindt grinste, „aber die werden sich bestimmt freuen, wenn ihr Papa mal während der Woche einen freien Nachmittag hat, um mit ihnen zu spielen!“
In Sternbergs Gesicht stand eindeutig zu lesen: „Jetzt ist er übergeschnappt.“
Auch Paul Wellmann legte seine Stirn in Falten: „Oskar, warst du schon vor Mittag in der Kneipe? Weizenbier statt Milchkaffee?“
„Nein, nein, ganz im Gegenteil, ich bin stocknüchtern, aber hört doch mal zu.“
Ohne seine Jacke auszuziehen, setzte sich Lindt zu den beiden an den Tisch und begann, seinen Einfall vorzutragen.
Ernste Zweifel am Geisteszustand ihres Chefs mischten sich nach und nach mit ungläubigem Staunen und zuweilen heftigem Kopfschütteln.
„Aber ich habe doch noch nie ...“
„Aber woher bekommen wir denn ...?“
„Aber die lassen uns doch niemals ...!“
„Aber wenn die merken, dass ich ...“
„Aber für die Kinder kann das doch gefährlich werden ...“
Nachdem sie eine Viertelstunde diskutiert hatten, wandelten sich die „Aber ...“-Sätze mehr und mehr in konstruktive Vorschläge. Lindt hängte endlich seine Jacke auf, goss Kaffee in die Tassen und stopfte sich seine größte Pfeife.
„So, jetzt können wir an die Feinarbeit gehen“, sagte er zufrieden, als er sich wieder zu Wellmann und Sternberg an den Tisch setzte.
Die Idee hatte in ihren Köpfen zu arbeiten begonnen und nach und nach klügelten sie ihr Vorhaben bis ins letzte Detail aus.
„Ein Nachbar von uns, der hat ...“
„Wenn es da nicht klappt, dann versuchen wir mal ...“
„Am besten ziemlich hoch hinein ...“
„Von dem geteerten Feldweg aus, da müsste es gehen ...“
„Ihr geht erst mal an den Zaun, wegen der Kamera ...“
„Die Kinder müssen richtig nervig sein ...“
Sie hängten einen grundstücksgenauen Stadtplan an der Wand auf, druckten aus dem Internet Luftbilder im Tausender-Maßstab aus und brachten schließlich eine Skizze zu Papier, die man auf den ersten Blick für eine militärische Angriffsplanung halten musste.
Mehrere Telefonate brachten schließlich die gewünschten Zusagen und die Aktion nahm immer mehr konkrete Gestalt an. Paul Wellmann hatte die Aufgabe, alles zu protokollieren und füllte am PC eine Seite um die andere.
Kurz nach zwölf Uhr hatten sie den Plan so perfektioniert und für alle kritischen Situationen mehrere Alternativen ausgearbeitet, dass der Drucker schließlich nicht weniger als sieben Blätter ausspuckte.
Sichtlich zufrieden mit der intensiven Arbeit des Vormittags und nach einem weiteren kritischen Blick auf den Speiseplan der Polizeikantine, entschieden sich das Dreier-Team statt der angebotenen Rinderleber mit Kartoffelpüree lieber für eine Portion Pasta im StammRistorante.
Da wenig Betrieb war, konnten sie auch während des Essens noch weiter über die Aktion sprechen. Es war niemand in der Nähe, der hätte mithören können.
Lindt nahm sich vor, Frau Dr. Häußler vom Chemischen Untersuchungsamt vorzuwarnen, dass am späten Nachmittag möglicherweise eine dringende Analyse nötig wäre.
Sie veranschlagten die Vorbereitungszeit, die noch nötig sein würde, auf gut zwei Stunden und verabredeten sich für halb vier.
Lindt drehte sich noch mal um. Mit leiser Stimme, aber ganz eindringlich schärfte er Jan Sternberg ein: „Denk an die beiden Bucheckern, du musst direkt unter dem Baum ...“
Der Angriff
„Na, Jan, schon Feierabend?“, fragte Sternbergs Nachbarin, als er in bester Laune mit seinen beiden Kindern ins Auto stieg. „Ja, heute habe ich mir den Nachmittag mal freigenommen, um mit Lisa und Max was zu unternehmen – bei dem tollen Sonnenschein!“
„Kann man richtig sehen, wie die sich freuen, na dann viel Spaß!“ Aber das hörten die drei schon nicht mehr.
Eine Viertelstunde später bogen sie von der vierspurigen Schnellstraße auf einen Feldweg ein. Dass sie dabei vom Parkplatz gegenüber beobachtet wurden, bemerkten die Kinder nicht. Ein großer dunkler CitroenKombi stand dort in einer Haltebucht, die zur Straße hin mit Haselnuss- und Weißdornsträuchern bepflanzt war. Der Fahrer, ein gutmütig
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