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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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gastlicher Hafen bekannt, und aus allen Teilen des Vaterlandes kamen gelegentlich schwarzgekleidete und langhaarige Herren herbei, um ein paar Tage hier zu verweilen … gottgefälliger Gespräche, einiger nahrhafter Mahlzeiten und klingender Unterstützung zu heiligen Zwecken gewiß. Auch die Prediger der Stadt gingen als Hausfreunde aus und ein …
    Tom war viel zu diskret und verständig, um auch nur ein Lächeln sichtbar werden zu lassen, aber Tony moquierte sich ganz einfach, ja, sie ließ es sich leider angelegen sein, die geistlichen Herren lächerlich zu machen, sobald sich ihr Gelegenheit dazu bot.
    Zuweilen, wenn die Konsulin an Migräne litt, war es Madame Grünlichs Sache, die Wirtschaft zu besorgen und das Menü zu bestimmen. Eines Tages, als eben ein fremder Prediger, dessen Appetit die allgemeine Freude erregte, im Hause zu Gast war, ordnete sie heimtückisch Specksuppe an, das städtische Spezialgericht, eine mit säuerlichem Kraute bereitete Bouillon, in die man das ganze Mittagsmahl: Schinken, Kartoffeln, saure Pflaumen, Backbirnen, Blumenkohl, Erbsen, Bohnen, Rüben und andere Dinge mitsamt der Fruchtsauce {265} hineinrührte, und die niemand auf der Welt genießen konnte, der nicht von Kindesbeinen daran gewöhnt war.
    »Schmeckt es? Schmeckt es, Herr Pastor?« fragte Tony beständig … »Nein? O Gott, wer hätte das gedacht!« Und dabei machte sie ein wahrhaft spitzbübisches Gesicht und ließ ihre Zungenspitze, wie sie es zu thun pflegte, wenn sie einen Streich erdachte oder ausführte, ganz leicht an der Oberlippe spielen.
    Der dicke Herr legte mit Ergebung den Löffel nieder und sagte arglos:
    »Ich werde mich an das nächste Gericht halten.«
    »Ja, es giebt noch ein kleines Après«, sagte die Konsulin hastig … denn ein »nächstes Gericht« war nach dieser Suppe undenkbar, und trotz einiger Armeritter mit Apfel-Gelée, welche nachfolgten, mußte der betrogene Geistliche, während Tony vor sich hin kicherte und Tom mit Selbstüberwindung eine Braue emporzog, sich ungesättigt vom Tische erheben …
    Ein anderes Mal stand Tony mit der Köchin Stina in häuslichem Gespräche auf der Diele, als Pastor Mathias aus Kannstadt, der wieder einmal während einiger Tage im Hause weilte, von einem Ausgang zurückkehrte und an der Windfangthür klingelte. Mit ländlich watschelnden Schritten ging Trina, zu öffnen, und der Pastor, in der Absicht ein leutseliges Wort an sie zu richten und sie ein wenig zu prüfen, fragte freundlich:
    »Liebscht den Herrn?« … Vielleicht war er willens, ihr etwas zu schenken, wenn sie sich treu zu ihrem Heiland bekannte.
    »Je, Herr Paster« … sagte Trine zögernd, errötend und mit großen Augen. »Wekken meenen's denn? den Ollen oder den Jungen?«
    Madame Grünlich verfehlte nicht, diese Geschichte bei Tische mit lauter Stimme zu erzählen, so daß selbst die Konsulin in ihr pruschendes Kröger'sches Lachen ausbrach.
    {266} Der Konsul freilich sah ernst und indigniert auf seinen Teller nieder.
    »Ein Mißverständnis …« sagte Pastor Mathias verwirrt.

11.
    Was folgt, geschah im Spätsommer des Jahres fünfundfünfzig, an einem Sonntag-Nachmittage. Buddenbrooks saßen im Landschaftszimmer und warteten auf den Konsul, der sich unten noch ankleidete. Man hatte mit der Familie Kistenmaker ein Festtagsunternehmen, einen Spaziergang zu einem Vergnügungsgarten vorm Thore verabredet. Ausgenommen Clara und Klothhilde, die jeden Sonntag-Abend im Hause einer Freundin für kleine Negerkinder Strümpfe strickten, wollte man dort Kaffee trinken und vielleicht, wenn das Wetter es erlaubte, eine Ruderpartie auf dem Flusse unternehmen …
    »Mit Papa ist es zum Heulen«, sagte Tony, indem sie nach ihrer Gewohnheit starke Worte wählte. »Kann er jemals zur festgesetzten Zeit fertig sein? Er sitzt an seinem Pult und sitzt … und sitzt … dies und das
muß
noch fertig werden … großer Gott, vielleicht ist es wirklich notwendig, ich will nichts gesagt haben … obgleich ich nicht glaube, daß wir geradezu Bankerott ansagen müßten, wenn er die Feder eine Viertelstunde früher weggelegt hätte. Gut … wenn es schon zehn Minuten zu spät ist, fällt ihm sein Versprechen ein, und er kommt die Treppen herauf, indem er immer zwei Stufen überspringt, obgleich er weiß, daß er oben Kongestionen und Herzklopfen bekommt … So ist es vor jeder Gesellschaft, vor jedem Ausgang! Kann er sich nicht Zeit lassen? Kann er nicht rechtzeitig aufbrechen und langsam gehen? Es

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