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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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die Namen, zum Teile wenigstens, ganz gut, und so leicht wäre es gewesen, Papas Wünschen bis zu einem gewissen Grade wenigstens entgegenzukommen, wenn es eben möglich gewesen wäre, wenn ihn nicht eben etwas unüberwindlich Trauriges daran gehindert hätte … Ein strenges Wort, ein Klopfen mit der Gabel auf den Messerblock von seiten seines Vaters schreckte ihn auf. Er warf einen Blick auf seine Mutter und Ida und versuchte zu sprechen; aber schon die ersten Silben wurden von Schluchzen erstickt; es ging nicht. »Genug!« rief der Senator zornig. »Schweig! Ich will gar nichts mehr hören! Du brauchst nichts herzusagen! Du darfst stumm und dumm vor dich hinbrüten dein Lebtag!« Und in schweigsamer Mißstimmung ward die Mahlzeit zu Ende geführt.
    Diese träumerische Schwäche aber, dieses Weinen, dieser vollständige Mangel an Frische und Energie war der Punkt, an dem der Senator einsetzte, wenn er gegen Hannos leidenschaftliche Beschäftigung mit der Musik Bedenken erhob.
    Hannos Gesundheit war immer zart gewesen. Besonders seine Zähne hatten von jeher die Ursache von mancherlei schmerzhaften Störungen und Beschwerden ausgemacht. Das Hervorbrechen der Milchzähne mit seiner Gefolgschaft von Fieber und Krämpfen, hatte ihm beinah das Leben gekostet, {563} und dann hatte sein Zahnfleisch stets zur Entzündung und zur Bildung von Geschwüren geneigt, die Mamsell Jungmann, wenn sie reif waren, mit einer Stecknadel zu öffnen pflegte. Jetzt, zur Zeit des Zahnwechsels, waren die Leiden noch größer. Schmerzen kamen, die fast über Hannos Kräfte gingen, und schlaflos, unter leisem Stöhnen und Weinen in einem matten Fieber, das keine andere Ursache, als eben den Schmerz hatte, verbrachte er ganze Nächte. Die Zähne, die äußerlich so schön und weiß, wie die seiner Mutter, dabei aber außerordentlich weich und verletzlich waren, wuchsen falsch, sie bedrängten einander, und damit allen diesen Übelständen gesteuert würde, mußte der kleine Johann einen furchtbaren Menschen in sein junges Leben eintreten sehen: Herrn Brecht, den Zahnarzt Brecht in der Mühlenstraße …
    Schon der Name dieses Mannes gemahnte gräßlich an jenes Geräusch, das im Kiefer entsteht, wenn mit Ziehen, Drehen und Heben die Wurzeln eines Zahnes herausgebrochen werden, und ließ Hannos Herz sich in der Angst zusammenziehen, die er erlitt, wenn er, gegenüber der treuen Ida Jungmann, im Wartezimmer des Herrn Brecht in einem Lehnstuhl kauerte und, während er die scharf riechende Luft dieser Räumlichkeiten atmete, illustrierte Journale besah, bis der Zahnarzt mit seinem ebenso höflichen wie grauenerregenden »Bitte« in der Thür des Operationszimmers erschien …
    Eine Anziehungskraft, einen seltsamen Reiz besaß dieses Wartezimmer, und Das war ein stattlicher bunter Papagei mit giftigen kleinen Augen, der in einem Winkel inmitten eines Messing-Bauers saß und aus unbekannten Gründen Josephus hieß. Mit der Stimme eines wütenden alten Weibes pflegte er zu sagen: »Nehmen Sie Platz … Einen Momang …« und obgleich dies unter den obwaltenden Umständen wie ein abscheulicher Hohn klang, war Hanno Buddenbrook ihm mit einem Gemisch von Liebe und Grauen zugethan. Ein Papagei {564} … ein großer, bunter Vogel, welcher Josephus hieß und reden konnte! War er nicht wie entwischt aus einem Zauberwalde, aus einem der Grimmschen Märchen, die Ida zu Hause vorlas? … Auch das »Bitte«, mit dem Herr Brecht die Thür öffnete, wiederholte Josephus aufs Eindringlichste, und so geschah es, daß man seltsamer Weise lachend das Operationszimmer betrat und sich auf den großen, unheimlich konstruierten Stuhl am Fenster setzte, neben dem die Tretmaschine stand.
    Was Herrn Brecht persönlich betraf, so sah er ganz ähnlich aus, wie Josephus, denn ebenso hart und krumm bog seine Nase sich auf den schwarz und grau mêlierten Schnurrbart hinab, wie der Schnabel des Papageis. Das Schlimme aber, das eigentlich Entsetzliche an ihm bestand darin, daß er nervös und selbst den Qualen nicht gewachsen war, die zuzufügen sein Amt ihn zwang. »Wir müssen zur Extraktion schreiten, Fräulein«, sagte er zu Ida Jungmann und erblich. Dann, wenn Hanno in einem matten, kalten Schweiße und mit übergroßen Augen, unfähig, zu protestieren, unfähig, davonzulaufen, in einem Seelenzustand, der sich absolut durch nichts von dem eines hinzurichtenden Delinquenten unterschied, Herrn Brecht, die Zange im Ärmel, auf sich zukommen sah, so konnte er bemerken, daß

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