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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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bereit. Tapezierer Jacobs hat sich alle Mühe gegeben. Auch der …« und sie schluckte einen Augenblick … »auch der Sarg ist vorhin gekommen. Aber ihr müßt nun ablegen, ihr Lieben«, fuhr sie fort und zog behutsam das weiße Tuch an seinen Platz zurück. »Hier ist es kalt, aber im Frühstückszimmer ist ein bißchen geheizt … Laß dir helfen, Gerda; mit einem so prachtvollen Umhang muß man vorsich {629} tig umgehen … Darf ich dir einen Kuß geben? Du weißt, ich liebe dich, wenn du mich auch immer verabscheut hast … Nein, ich verderbe dir nicht die Frisur, wenn ich dir den Hut abnehme … Dein schönes Haar! Solches Haar hat Mutter auch in ihrer Jugend gehabt. Sie war ja niemals so herrlich wie du, aber es hat doch eine Zeit gegeben, und ich war schon auf der Welt, wo sie eine wirklich schöne Erscheinung gewesen ist. Und nun … Ist es nicht wahr, was euer Grobleben immer sagt: Wir müssen Alle zu Moder werden –? Ein so einfacher Mann er ist … Ja, Tom, das sind die hauptsächlichsten Verzeichnisse.«
    Sie waren ins Nebenzimmer zurückgekehrt und setzten sich an den runden Tisch, während der Senator die Papiere zur Hand nahm, auf welchen die Gegenstände verzeichnet standen, die unter die nächsten Erben verteilt werden sollten … Frau Permaneder ließ das Gesicht ihres Bruders nicht aus den Augen, sie beobachtete es mit erregtem und gespanntem Ausdruck. Es gab etwas, eine schwere, unabwendbare Frage, auf die ihr ganzes Denken ängstlich gerichtet war, und die in der nächsten Stunde zur Sprache kommen mußte …
    »Ich denke«, fing der Senator an, »wir halten den üblichen Grundsatz fest, daß Geschenke zurückgehen, sodaß also …«
    Seine Frau unterbrach ihn.
    »Verzeih, Thomas, mir scheint … Christian … wo ist er denn?«
    »Ja, mein Gott, Christian!« rief Frau Permaneder. »Wir vergessen ihn ja!«
    »Richtig«, sagte der Senator und ließ die Papiere sinken. »Wird er denn nicht gerufen?«
    Und Frau Permaneder ging zum Glockenzug. Aber in demselben Augenblick öffnete schon Christian selbst die Thür und trat ein. Er kam ziemlich rasch ins Zimmer, schloß die Thür nicht ganz geräuschlos und blieb mit zusammengezogenen Brauen stehen, indem er seine kleinen, runden, tiefliegenden {630} Augen ohne Jemanden anzublicken von einer Seite zur anderen wandern ließ und seinen Mund unter dem buschigen, rötlichen Schnurrbart in unruhiger Bewegung öffnete und schloß … Er schien sich in einer Art trotziger und gereizter Stimmung zu befinden.
    »Ich höre, daß ihr da seid«, sagte er kurz. »Wenn über die Sachen gesprochen werden soll, so muß ich doch benachrichtigt werden.«
    »Wir waren im Begriffe«, antwortete der Senator gleichgültig. »Nimm nur Platz.«
    Dabei aber blieben seine Augen auf den weißen Knöpfen haften, mit denen Christians Hemd geschlossen war. Er selbst war in tadelloser Trauerkleidung, und auf seinem Hemdeinsatz, welcher, am Kragen von der breiten, schwarzen Schleife abgeschlossen, blendend weiß aus der Umrahmung des schwarzen Tuchrockes hervortrat, saßen statt der goldenen, die er zu tragen pflegte, schwarze Knöpfe. Christian bemerkte den Blick, denn während er einen Stuhl herbeizog und sich setzte, berührte er mit der Hand seine Brust und sagte:
    »Ich weiß, daß ich weiße Knöpfe trage. Ich bin noch nicht dazu gekommen, mir schwarze zu kaufen, oder vielmehr, ich habe es unterlassen. Ich habe mir in den letzten Jahren oft fünf Schillinge für Zahnpulver leihen und mit einem Streichholz zu Bette gehen müssen … ich weiß nicht, ob ich so ausschließlich schuld daran bin. Übrigens sind schwarze Knöpfe in der Welt ja nicht die Hauptsache. Ich liebe die Äußerlichkeiten nicht. Ich habe nie Wert darauf gelegt.«
    Gerda betrachtete ihn, während er sprach und lachte nun leise. Der Senator bemerkte:
    »Die letzte Behauptung kannst du wohl auf die Dauer nicht vertreten, mein Lieber.«
    »So? Vielleicht weißt du es besser, Thomas. Ich sage nur dies, daß ich auf solche Sachen kein Gewicht lege. Ich habe zu viel {631} von der Welt gesehen, habe unter zu verschiedenen Menschen mit zu verschiedenen Sitten gelebt, als daß ich … Übrigens bin ich ein erwachsener Mensch«, sagte er plötzlich laut, »ich bin dreiundvierzig Jahre alt, ich bin mein eigener Herr, und darf Jedem verwehren, sich in meine Angelegenheiten zu mischen.«
    »Mir scheint, du hast etwas auf dem Herzen, mein Freund«, sagte der Senator erstaunt. »Was die Knöpfe betrifft,

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