Buddenbrooks
und Christian … nun, Gott sei mit ihm! … Wir können dir nicht Widerpart halten, denn was wir vorbringen können, sind keine Gegengründe, sondern Sentiments, das liegt auf der Hand. An wen wirst du es wohl verkaufen, Tom? Meinst du, daß es bald von statten gehen wird?«
»Ja, Kind, wenn ich das wüßte … Immerhin … ich habe schon heute Morgen ein paar Worte mit Gosch, dem alten Makler Gosch, gewechselt; er schien nicht abgeneigt, die Sache in die Hand zu nehmen …«
»Das wäre gut, ja, das wäre sehr gut. Sigismund Gosch hat natürlich seine Schwächen … Das mit seinen Übersetzungen aus dem Spanischen, wovon man erzählt – ich kann nicht wissen, wie der Dichter heißt – ist etwas sonderbar, das mußt du zugeben, Tom. Aber er war schon ein Freund von Vater und ist ein grundehrlicher Mann. Und dann hat er Herz, dafür ist er bekannt. Er wird begreifen, daß es sich hier nicht um irgend einen Kauf handelt, um irgend ein beliebiges Haus … Was {646} denkst du, Tom, was wirst du verlangen? Hunderttausend Courantmark sind doch das Wenigste, wie? …«
»Hunderttausend Courantmark sind doch das Wenigste, Tom!« sagte sie noch, die Thür in der Hand, als ihr Bruder und seine Frau schon die Treppe hinunterstiegen. Dann, allein geblieben, stand sie inmitten des Zimmers still, und, die hinabhängenden Hände vor sich gefaltet, derart, daß die Flächen nach unten gewandt waren, blickte sie mit großen, ratlosen Augen rund um sich her. Ihr mit einem Häubchen aus schwarzen Spitzen geschmückter Kopf, den sie unaufhörlich leise schüttelte, sank, von Gedanken beschwert, langsam tiefer und tiefer auf eine Schulter hinab.
3.
Der kleine Johann war gehalten, sich von der sterblichen Hülle seiner Großmutter zu verabschieden; sein Vater ordnete dies an, und er ließ keinen Laut des Widerspruches vernehmen, obgleich er sich fürchtete. Am Tage nach dem schweren Todeskampfe der Konsulin hatte der Senator, bei Tische und, wie es schien, geflissentlich in Gegenwart seines Sohnes, gegen seine Gattin mit ein paar harten Worten das Betragen Onkel Christians verurteilt, der, als es der Kranken am Schlimmsten ging, davongeschlichen und zu Bette gegangen war. »Das sind die Nerven, Thomas«, hatte Gerda geantwortet; aber mit einem Blick auf Hanno, der dem Kinde keineswegs entgangen war, hatte er ihr in fast strengem Tone zurückgegeben, daß hier kein Wort der Entschuldigung am Platze sei. Die selige Mutter habe so sehr gelitten, daß man sich hätte schämen müssen, allzu schmerzlos dabei zu sitzen, und sich nicht feige dem Bißchen Leiden entziehen, das der Anblick ihrer Kämpfe in Einem hervorgerufen hätte. Hieraus hatte Hanno geschlossen, daß er es nicht wagen dürfe, gegen den Besuch am offenen Sarge etwas einzuwenden.
{647} Wie beim weihnachtlichen Einzuge war ihm der große Raum entfremdet, als er ihn am Tage vorm Begräbnisse zwischen Vater und Mutter von der Säulenhalle aus betrat. Geradeaus, weiß leuchtend gegen das dunkle Grün großer Topfgewächse, die, mit hohen, silbernen Armleuchtern abwechselnd, einen Halbkreis bildeten, stand auf schwarzem Postamente die Kopie von Thorwaldsens Segnendem Christus, die draußen auf dem Korridor ihren Platz gehabt hatte. Überall an den Wänden bewegte sich im Luftzuge schwarzer Flor und verhüllte das Himmelblau der Tapete sowohl wie das Lächeln der weißen Götterstatuen, die zugeschaut hatten, wenn man in diesem Saale wohlgemut tafelte. Und umgeben von seinen ganz in Schwarz gekleideten Anverwandten, den breiten Trauerflor um den Ärmel seines Matrosenanzuges, den Sinn umnebelt von den Düften, welche den Mengen von Blumengebinden und Kränzen entströmten und mit denen sich, ganz leise und nur bei diesem oder jenem Atemzug bemerkbar, ein anderer, fremder und doch auf seltsame Art vertrauter Duft vermengte, stand der kleine Johann zur Seite der Bahre und blickte auf die regungslose Gestalt, die vor ihm zwischen weißem Atlas streng und feierlich ausgestreckt lag …
Dies war nicht Großmama. Es war ihre Gesellschaftshaube mit den weißseidenen Bändern und ihr rotbrauner Scheitel darunter. Aber diese spitze Nase, diese nach innen gezogenen Lippen, dieses hervorgeschobene Kinn, diese gelben, durchsichtigen, gefalteten Hände, denen man Kälte und Steifheit ansah, gehörten nicht ihr. Dies war eine fremde, wächserne Puppe, die in dieser Weise aufzubauen und zu feiern, etwas Grauenhaftes hatte. Und er blickte zum Landschaftszimmer hinüber, als
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