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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Sprache brachte, begannen alle alten Freundinnen der Verstorbenen zu schluchzen, mit Ausnahme von Madame Kethelsen, die nichts vernahm und mit der verschlossenen Miene der Tauben geradeaus blickte, und der Schwestern Gerhardt, der Nachkommen Paul Gerhardts, die Hand in Hand mit klaren Augen in einem Winkel standen; denn sie waren fröhlich über den Tod ihrer Freundin, und beneideten sie nur deshalb nicht, weil Neid und Mißgunst ihren Herzen fremd war.
    Was Mademoiselle Weichbrodt betraf, so putzte sie unaufhörlich ihre Nase mit einem kurzen und energischen Accent. Aber die Damen Buddenbrook aus der Breitenstraße weinten nicht; dies war nicht ihre Gewohnheit. Ihre Mienen, weniger spitz immerhin, als gewöhnlich, drückten eine milde Genugthuung über die unparteiische Gerechtigkeit des Todes aus …
    Dann, als Pastor Pringsheims letztes Amen verklungen, kamen mit ihren schwarzen Dreispitzen, leise und dennoch so schnell, daß die schwarzen Mäntel hinter ihnen sich bauschten, die vier Träger herein und legten Hand an den Sarg. Es waren vier Lakaiengesichter, die Jedermann kannte, Lohndiener, die bei jedem Diner in den ersten Kreisen die schweren Schüsseln reichten und auf den Korridoren Möllendorpfschen Rotwein aus den Karaffen tranken. Aber auch bei jedem Begräbnis erster und zweiter Klasse waren sie unentbehrlich, und ihre Gewandtheit bei dieser Arbeit war groß. Sie wußten wohl, daß dieser Augenblick, da der Sarg, aus der Mitte der Verbliebenen heraus, von Fremden ergriffen und für immer davongeschleppt wird, durch Takt und Behendigkeit überwunden werden muß. {651} Mit zwei oder drei hurtigen, geräuschlosen und kräftigen Bewegungen hatten sie die Last von der Bahre auf ihre Schultern gehoben, und kaum, daß Jemand Zeit hatte, sich das Schreckliche des Augenblickes klar zu machen, so schwankte der blumenbedeckte Schrein schon ohne Verzögerung und dennoch gemessenen Tempos davon und verschwand durch die Säulenhalle.
    Die Damen drängten sich behutsam zum Händedruck um Frau Permaneder und ihre Tochter, wobei sie mit niedergeschlagenen Augen nicht mehr und nicht weniger murmelten, als was bei dieser Gelegenheit gemurmelt werden mußte, während die Herren sich anschickten, zu den Wagen hinunterzusteigen …
    Und es kam, in langem, schwarzem Zuge, die lange, langsame Fahrt durch die grauen und feuchten Straßen, durchs Burgthor hinaus, die entblätterte, im kalten Sprühregen schauernde Allee entlang bis zum Friedhof, woselbst man, während hinter einem halbkahlen Gesträuch ein Trauermarsch erklang, zu Fuß dem Sarge über die aufgeweichten Wege folgte, bis dorthin, wo am Rande des Gehölzes das Buddenbrooksche Erbbegräbnis seine von dem großen Sandstein-Kreuz gekrönte gotische Namensplatte emporragen ließ … Der steinerne Dekkel des Grabes, mit dem plastisch gearbeiteten Familienwappen geziert, lag neben der schwarzen, von feuchtem Grün umrahmten Gruft.
    Der Platz war dort unten dem neuen Ankömmling bereitet. Unter der Aufsicht des Senators war dort in den letzten Tagen ein wenig geräumt und Überreste alter Buddenbrooks waren beiseite geschafft worden. Nun schwebte, während die Musik verklang, der Sarg an den Stricken der Träger über der ausgemauerten Tiefe; mit einem leisen Gepolter glitt er hinab, und Pastor Pringsheim, welcher Pulswärmer angezogen hatte, begann aufs Neue, zu sprechen. Seine geschulte Stimme klang {652} klar, beweglich und fromm über das offene Grab und die gebeugten oder wehmütig zur Seite gelegten Köpfe der anwesenden Herren hin in die kühle und stille Herbstluft hinein. Schließlich beugte er sich über die Gruft, redete die Tote mit ihrem vollständigen Namen an und segnete sie mit dem Zeichen des Kreuzes. Als er verstummte und alle Herren mit ihren schwarz bekleideten Händen den Cylinder vor das Gesicht hielten, um still zu beten, kam ein wenig Sonne hervor. Es regnete nicht mehr, und in das Geräusch der Tropfen, die vereinzelt von Bäumen und Sträuchern fielen, klang hie und da ein kurzes, feines und fragendes Vogelzwitschern hinein.
    Und dann machte sich ein Jeder daran, den Söhnen und dem Bruder der Toten noch einmal die Hand zu drücken.
    Thomas Buddenbrook, den dicken und dunklen Stoff seines Überziehers mit feinen, silbernen Regentropfen betaut, stand zwischen seinem Bruder Christian und seinem Onkel Justus bei diesem Défilé. Er begann in letzter Zeit, ein wenig stark zu werden – das einzige Anzeichen des Alterns an seinem sorgfältig

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