Buddenbrooks
gepflegten Äußeren. Seine Wangen, über die der spitz ausgezogene Schnurrbart hinausragte, rundeten sich; aber sie waren weißlich, bleich, ohne Blut und Leben. Seine leicht geröteten Augen blickten jedem Herrn, dessen Hand er während eines Augenblicks in der seinen hielt, mit einer matten Höflichkeit ins Gesicht.
4.
Acht Tage später saß in Senator Buddenbrooks Privatcomptoir, auf dem Ledersessel zur Seite des Schreibtisches, ein kleiner, glattrasierter Greis mit tief in Stirn und Schläfen gestrichenem, schlohweißem Haar. In gebückter Haltung stützte er sich mit beiden Händen auf die weiße Krücke seines Stockes, ließ das spitz hervorspringende Kinn auf den Händen ruhen und hielt mit bösartig zusammengepreßten Lippen und abwärts gezo {653} genen Mundwinkeln von unten herauf einen so abscheulichen und durchdringend tückischen Blick auf den Senator gerichtet, daß es unbegreiflich erschien, warum dieser die Gemeinschaft mit einem solchen Menschen nicht lieber mied. Aber Thomas Buddenbrook saß ohne merkliche Unruhe zurückgelehnt und sprach zu dieser hämischen und dämonischen Erscheinung wie zu einem harmlosen Bürger … Zwischen dem Chef der Firma Johann Buddenbrook und dem Makler Sigismund Gosch ward über die Kaufsumme für das alte Haus in der Mengstraße beratschlagt.
Das nahm eine lange Zeit in Anspruch, denn das Angebot von 28 000 Thalern Courant, das Herr Gosch gemacht hatte, schien dem Senator zu niedrig, während der Makler sich zur Hölle verschwur, wenn, dieser Summe auch nur einen Silbergroschen hinzuzufügen, nicht eine That des Wahnwitzes wäre. Thomas Buddenbrook sprach von der zentralen Lage und dem ungewöhnlichen Umfange des Grundstückes, aber Herr Gosch hielt mit zischender, gepreßter und verbissener Stimme, verzerrten Lippen und grauenerregenden Gesten einen Vortrag über das erdrückende Risiko, das er übernähme, eine Explikation, die in ihrer lebensvollen Eindringlichkeit beinahe ein Gedicht zu nennen war … Ha! Wann, an wen, für wieviel er dieses Haus wohl wieder würde absetzen können? Wie oft im Rollen der Jahrhunderte denn eine Nachfrage nach einem solchen Grundstück laut würde? Ob sein hochverehrter Freund und Gönner ihm etwa versprechen könne, daß morgen mit dem Zuge von Büchen ein Nabob aus Indien eintreffen werde, um sich im Buddenbrookschen Hause einzurichten? Er – Sigismund Gosch – werde damit sitzen bleiben … damit sitzen bleiben werde er, und dann sei er ein geschlagener, ein endgültig vernichteter Mensch, der nicht mehr die Zeit haben werde, sich zu erheben, denn seine Uhr sei abgelaufen, sein Grab sei geschaufelt, geschaufelt sei es … Und da diese Wen {654} dung ihn fesselte, so fügte er noch etwas von schlotternden Lemuren und dumpf auf den Sargdeckel fallenden Erdschollen hinzu.
Dennoch gab der Senator sich nicht zufrieden. Er sprach über die vortreffliche Teilbarkeit des Grundstückes, betonte die Verantwortung, die er seinen Geschwistern gegenüber trage, und beharrte bei dem Preise von 30 000 Thaler Courant, um dann aufs Neue mit einem Gemisch von Nervosität und Wohlgefallen eine wohlpointierte Entgegnung des Herrn Gosch anzuhören. Das dauerte wohl zwei Stunden lang, in deren Verlaufe Herr Gosch Gelegenheit hatte, alle Register seiner Charakterkunst zu ziehen. Er spielte gleichsam ein doppeltes Spiel, er spielte einen heuchelnden Bösewicht. »Schlagen Sie ein, Herr Senator, mein jugendlicher Gönner … 84 000 Courantmark … es ist das Angebot eines alten, ehrlichen Mannes!« sagte er mit süßer Stimme, indem er den Kopf auf die Seite legte, sein von Grimassen verwüstetes Gesicht zu einem Lächeln der treuherzigen Einfalt verzog und seine Hand, eine große, weiße Hand, mit langen und zitternden Fingern, von sich streckte. Aber das war Lüge und Verräterei! Ein Kind hätte diese heuchlerische Maske durchschauen müssen, unter welcher die tiefinnere Schurkenhaftigkeit dieses Menschen gräßlich hervorgrinste …
Endlich erklärte Thomas Buddenbrook, daß er sich eine Bedenkzeit erbitten und jedenfalls mit seinen Geschwistern Rücksprache nehmen müsse, bevor er die 28 000 Thaler acceptiere, was wohl kaum jemals geschehen könne. Er brachte vorderhand das Gespräch auf ein neutrales Gebiet, erkundigte sich nach den geschäftlichen Erfolgen des Herrn Gosch, nach seinem persönlichen Wohlergehen …
Herrn Gosch ging es schlecht; mit einer schönen und großen Armbewegung wies er die Annahme zurück, er könne
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