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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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überläßt … Du bist so ohne Mitleid und Liebe und Demut … Ach!« rief er plötzlich, indem er beide Hände hinter seinen Kopf bewegte und sie dann weit vorwärts stieß, als wehrte er die ganze Welt von sich ab … »Wie satt ich das Alles habe, dies Taktgefühl und Feingefühl und Gleichgewicht, diese Haltung und Würde … wie sterbenssatt! …« Und dieser letzte Ruf war in einem solchen Grade echt, er kam so sehr von Herzen und brach mit einem solchen Nachdruck von Widerwillen und Überdruß hervor, daß er thatsächlich etwas Niederschmetterndes hatte, ja, daß Thomas ein wenig zusammensank und eine Weile wortlos und mit müder Miene vor sich nieder blickte.
    »Ich bin geworden wie ich bin«, sagte er endlich, und seine Stimme klang bewegt, »weil ich nicht werden wollte wie du. Wenn ich dich innerlich gemieden habe, so geschah es, weil ich mich vor dir hüten muß, weil dein Sein und Wesen eine Gefahr für mich ist … ich spreche die Wahrheit.«
    Er schwieg einen Augenblick und fuhr dann in kürzerem und befestigtem Tone fort:
    {639} »Übrigens haben wir uns weit von unserem Gegenstande entfernt. Du hast mir eine Rede über meinen Charakter gehalten … eine etwas verworrene Rede, die vielleicht einen Kern von Wahrheit enthielt. Aber es handelt sich jetzt nicht um mich, sondern um dich. Du trägst dich mit Heiratsgedanken, und ich möchte dich möglichst gründlich davon überzeugen, daß die Ausführung in der Weise, wie du sie planst, unmöglich ist. Erstens werden die Zinsen, die ich dir werde auszahlen können, von keiner sehr ermutigenden Höhe sein …«
    »Aline hat Manches zurückgelegt.«
    Der Senator schluckte hinunter und bezwang sich.
    »Hm … zurückgelegt. Du gedenkst also Mutters Erbe mit den Ersparnissen dieser Dame zu vermischen …«
    »Ja. Ich sehne mich nach einem Heim und nach Jemandem, der Mitleid mit mir hat, wenn ich krank bin. Übrigens passen wir ganz gut zusammen. Wir sind beide ein bißchen verfahren …«
    »Du gedenkst ferner, die vorhandenen Kinder zu adoptieren, beziehungsweise zu … legitimieren?«
    »Jawohl.«
    »So daß also dein Vermögen nach deinem Tode an jene Leute überginge?« – Als der Senator dies sagte, legte Frau Permaneder ihre Hand auf seinen Arm und flüsterte beschwörend: »Thomas! … Mutter liegt nebenan! …«
    »Ja«, antwortete Christian, »das gehört sich doch so.«
    »Nun, du wirst das Alles
nicht
thun!« rief der Senator und sprang auf. Auch Christian erhob sich, trat hinter seinen Stuhl, erfaßte ihn mit einer Hand, drückte das Kinn auf die Brust und sah seinen Bruder halb scheu und halb entrüstet an.
    »Du wirst es nicht thun …« wiederholte Thomas Buddenbrook beinahe sinnlos vor Zorn, blaß, bebend und mit zukkenden Bewegungen. »Solange ich über der Erde bin, geschieht dies nicht … ich schwöre es dir! … Hüte dich … nimm dich in {640} Acht …! Es ist genug Geld durch Unglück, Thorheit und Niedertracht verloren gegangen, als daß du dich unterstehen dürftest, ein Viertel von Mutters Vermögen diesem Frauenzimmer und ihren Bastarden in den Schoß zu werfen! … Und das, nachdem schon ein anderes Viertel von Tiburtius erschlichen worden! … Du hast der Familie genug der Blâme zugefügt, Mensch, als daß es noch nötig wäre, uns mit einer Courtisane zu verschwägern und ihren Kindern unseren Namen zu geben. Ich verbiete es dir, hörst du? ich verbiete es dir!« rief er mit einer Stimme, daß das Zimmer erdröhnte und Frau Permaneder sich weinend in einen Winkel des Sofas drückte. »Und wage es nicht, gegen dies Verbot zu handeln, das rate ich dir! Ich habe dich bis jetzt bloß verachtet, ich habe über dich hinweggesehen … aber forderst du mich heraus, läßt du es zum Äußersten kommen, so werden wir sehen, wer den Kürzeren zieht! Ich sage dir, hüte dich! Ich kenne keine Rücksicht mehr! Ich lasse dich für kindisch erklären, ich lasse dich einsperren, ich mache dich zunichte! Zunichte! Verstehst du mich?! …«
    »Und ich sage dir …« fing Christian an … Und nun ging das Ganze in einen Wortstreit über, einen abgerissenen, nichtigen, beklagenswerten Wortstreit ohne ein eigentliches Thema, ohne einen anderen Zweck, als den, zu beleidigen, einander mit Worten bis aufs Blut zu verwunden. Christian kam auf den Charakter seines Bruders zurück und suchte aus alter Vergangenheit einzelne Züge, peinliche Anekdoten hervor, die Thomas' Egoismus belegen sollten, und die Christian nicht hatte

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