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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Wochen. Der erste Schnee kam, der Winter war da, die Öfen prasselten, und Buddenbrooks überlegten traurig, wie diesmal das Weihnachtsfest vergehen werde … Da plötzlich geschah etwas, etwas Dramatisches, etwas über alle Maße Überraschendes; der Lauf der Dinge nahm eine Wendung, die das allgemeinste Interesse verdiente und auch erhielt; ein Ereignis trat ein … es
schlug
ein, es machte, daß Frau Permaneder inmitten ihrer Geschäfte stille stand und erstarrte!
    »Thomas«, sagte sie, »bin ich verrückt? Phantasiert vielleicht Gosch? Es kann nicht möglich sein! Es ist zu absurd, zu undenkbar, zu …« Sie verstummte und hielt ihre Schläfen mit beiden Händen erfaßt. Aber der Senator zuckte die Achseln.
    »Liebes Kind, noch ist nichts entschieden; aber der Gedanke, die Möglichkeit ist aufgetaucht, und bei einiger ruhigen Überlegung wirst du finden, daß an der Sache gar nichts Undenkbares ist. Ein bißchen frappierend ist es, gewiß. Ich trat auch einen Schritt zurück, als Gosch es mir sagte. Aber undenkbar? Was steht denn im Wege? …«
    »Ich überlebe es nicht«, sagte sie, setzte sich in einen Stuhl und blieb regungslos.
    Was ging vor? – Schon hatte sich ein Käufer für das Haus gefunden oder doch eine Person, die Interesse für den Fall an den Tag legte und bereits dem Wunsche Ausdruck gegeben {658} hatte, das feilstehende Besitztum behufs weiterer Unterhandlungen einmal gründlich in Augenschein zu nehmen. Und diese Person war Herr Hermann Hagenström, Großhändler und königlich portugiesischer Konsul.
    Als das erste Gerücht Frau Permaneder erreicht hatte, war sie gelähmt gewesen, verblüfft, vor den Kopf geschlagen, ungläubig, unfähig, den Gedanken in seiner Tiefe zu erfassen. Nun aber, da die Frage mehr und mehr an Form und Gestalt gewann, da der Besuch Konsul Hagenströms in der Mengstraße ganz einfach schon vor der Thüre stand, nun raffte sie sich zusammen, und es kam Leben in sie. Sie protestierte nicht, sie bäumte sich auf. Sie fand Worte, glühende und scharfschneidige Worte, und sie schwang sie wie Brandfackeln und Kriegsbeile.
    »Dies geschieht nicht, Thomas! So lange ich lebe, geschieht dies nicht! Wenn man seinen Hund verkauft, so sieht man danach, was für einen Herrn er bekommt. Und Mutters Haus! Unser Haus! Das Landschaftszimmer! …«
    »Aber ich frage dich ja, was denn eigentlich im Wege steht?«
    »Was im Wege steht? Grundgütiger Gott, was im Wege steht! Berge sollten ihm im Wege stehen, diesem dicken Menschen, Thomas! Berge! Aber er sieht sie nicht! Er kümmert sich nicht darum! Er hat kein Gefühl dafür! Ist er denn ein Vieh? … Seit Urzeiten sind Hagenströms unsere Widersacher … Der alte Hinrich hat Großvater und Vater chikaniert, und wenn Hermann dir noch nichts Ernstliches hat anthun können, wenn er dir noch keinen Knüppel zwischen die Beine geworfen hat, so geschah es, weil sich ihm noch keine Gelegenheit dazu bot … Als wir Kinder waren, habe ich ihn auf offener Straße geohrfeigt, wozu ich meine Gründe hatte, und seine holdselige Schwester Julchen hat mich dafür beinahe zu Schanden gekratzt. Das sind Kindereien … gut! Aber sie haben voll Hohn und Freude zugesehen, wenn wir Unglück hatten, und mei {659} stens war ich diejenige, die ihnen dies Vergnügen verschaffte … Gott hat es so gewollt … Aber inwiefern der Konsul dir geschäftlich geschadet, und mit welcher Unverschämtheit er dich überflügelt hat, das mußt du selbst am besten wissen, Tom, darüber kann ich dich nicht belehren. Und als zu guterletzt noch Erika eine gute Heirat machte, da hat es sie gewurmt, so lange, bis sie es fertig gebracht hatten, den Direktor aus der Welt zu schaffen und einzusperren, durch die Hand ihres Bruders, dieses Katers, dieses Satans von Staatsanwalt … Und nun wollen sie sich erfrechen … sie entblöden sich nicht …«
    »Höre, Tony, erstens haben wir in der Sache ja ernstlich gar nicht mehr mitzureden, denn wir haben mit Gosch abgeschlossen, und es ist nun an ihm, das Geschäft zu machen mit wem er will. Ich gebe dir ja zu, daß eine gewisse Ironie des Schicksals darin läge …«
    »Ironie des Schicksals? Ja, Tom, das ist nun
deine
Art, dich auszudrücken! Ich aber nenne es eine Schmach, einen Faustschlag mitten ins Gesicht, und das wäre es! … Bedenkst du denn nicht, was es bedeutet? So bedenke doch, was es bedeuten würde, Thomas! Es würde bedeuten: Buddenbrooks sind fertig, sie sind endgültig abgethan, sie ziehen ab, und

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