Buddenbrooks
aber hauptsächlich Hanno veranlaßte, sich vom Baden sowohl, wie vom Schlittschuhlaufen und von den »Turnspielen« sobald es nur immer anging fernzuhalten, war der Umstand, daß die beiden Söhne des Konsuls Hagenström, die sich an allen diesen Dingen ehrenvoll beteiligten, es auf ihn abgesehen hatten und, obgleich sie doch in dem Hause seiner Großmutter wohnten, keine Gelegenheit versäumten, ihn mit ihrer Stärke zu demütigen und zu quälen. Sie kniffen und verhöhnten ihn bei den »Turnspielen«, sie stießen ihn in den Schneekehricht auf der Eisbahn, sie kamen im Schwimmbassin mit bedrohlichen Lauten durch das Wasser auf ihn zu … Hanno versuchte nicht zu entfliehen, was übrigens wenig nützlich gewesen wäre. Er stand da, mit seinen Mädchenarmen, bis zum Bauche in dem ziemlich trüben Wasser, auf dessen Oberfläche hie und da grüne Gebilde von Pflanzen, sogenanntes Gänsefutter, umhertrieben, und sah mit zusammengezogenen Brauen, einem finsteren Senkblick und leicht verzerrten Lippen den Beiden entgegen, die, sicher ihrer Beute, mit langen, schäumenden Sprungschritten daher kamen. Sie hatten Muskeln an den Armen, die beiden Hagenströms, und damit umklammerten sie ihn und tauchten ihn, tauchten ihn recht lange, sodaß er ziemlich viel von dem unreinlichen Wasser schluckte und lange nachher, sich hin und her wendend, nach Atem rang … Ein einziges Mal ward er ein wenig gerächt. Gerade als ihn nämlich eines Nachmittags die beiden Hagenströms unter der Wasserfläche hielten, stieß der Eine von ihnen plötzlich einen Wut- und Schmerzensschrei aus und hob sein eines fleischiges Bein empor, von dem das Blut in großen Trop {689} fen rann. Neben ihm aber kam Kai Graf Mölln zum Vorschein, welcher sich auf irgend eine Weise das Eintrittsgeld verschafft hatte, unversehens unter Wasser herbeigeschwommen war und den jungen Hagenström gebissen – mit allen Zähnen ins Bein gebissen hatte, wie ein kleiner wütender Hund. Seine blauen Augen blitzten durch das rötlich-blonde Haar, das naß darüber hing … Ach, es erging ihm schlecht für seine That, dem kleinen Grafen, und übel zugerichtet stieg er aus dem Bassin. Allein Konsul Hagenströms starker Sohn hinkte doch beträchtlich, als er nach Hause ging …
Nährende Mittel und körperliche Übungen aller Art, – das war die Grundlage von Senator Buddenbrooks sorgenden Bemühungen um seinen Sohn. Nicht minder aufmerksam aber trachtete er danach, ihn geistig zu beeinflussen und ihn mit lebendigen Eindrücken aus der praktischen Welt zu versehen, für die er bestimmt war.
Er fing an, ihn ein wenig in das Bereich seiner zukünftigen Thätigkeit einzuführen, er nahm ihn mit sich auf Geschäftsgänge, zum Hafen hinunter und ließ ihn dabei stehen, wenn er am Quai mit den Lösch-Arbeitern in einem Gemisch von Dänisch und Plattdeutsch plauderte, in den kleinen, finsteren Speichercomptoiren mit den Geschäftsführern konferierte oder draußen den Männern einen Befehl erteilte, die mit hohlen und langgezogenen Rufen die Kornsäcke zu den Böden hinaufwanden … Für Thomas Buddenbrook selbst war dieses Stück Welt am Hafen, zwischen Schiffen, Schuppen und Speichern, wo es nach Butter, Fischen, Wasser, Theer und geöltem Eisen roch, von Klein auf der liebste und interessanteste Aufenthalt gewesen; und da Freude und Teilnahme daran sich bei seinem Sohne von selbst nicht äußerten, so mußte er darauf bedacht sein, sie zu wecken … Wie hießen nun die Dampfer, die mit Kopenhagen verkehrten? Najaden … Halmstadt … Friederike Oeverdieck … »Nun, daß du wenigstens diese weißt, {690} mein Junge, das ist schon
etwas.
Auch die anderen wirst du dir noch merken … Ja, von den Leuten, die da die Säcke hinaufwinden, heißen Manche wie du, mein Lieber, weil sie nach deinem Großvater getauft sind. Und unter ihren Kindern kommt häufig mein Name vor … und auch der von Mama … Man schenkt ihnen dann jährlich eine Kleinigkeit … So, an diesem Speicher gehen wir vorüber und reden nicht mit den Männern; da haben wir nichts zu sagen; das ist ein Konkurrent …«
»Willst du mitkommen, Hanno?« sagte er ein ander Mal … »Ein neues Schiff, das zu unserer Reederei gehört, läuft heute Nachmittag vom Stapel. Ich taufe es … Hast du Lust?«
Und Hanno gab an, daß er Lust habe. Er ging mit und hörte die Taufrede seines Vaters, sah zu, wie er eine Champagnerflasche am Bug zerschellte und blickte mit fremden Augen dem Schiffe nach, welches die
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