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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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gänzlich mit grüner Seife beschmierte schiefe Ebene hinabglitt, ins Wasser schäumte und puffend davon dampfte, seine Probefahrt zu unternehmen …
    An gewissen Tagen des Jahres, am Palmsonntag, wenn die Konfirmationen stattfanden, oder am Neujahrstage, unternahm Senator Buddenbrook zu Wagen eine Tournée von Visiten in einer Reihe von Häusern, denen er gesellschaftlich verpflichtet war, und da seine Gattin es vorzog, sich bei solchen Gelegenheiten mit Nervosität und Migräne zu entschuldigen, so forderte er Hanno auf, ihn zu begleiten. Und Hanno hatte auch hierzu Lust. Er stieg zu seinem Vater in die Droschke und saß stumm an seiner Seite in den Empfangszimmern, indem er mit stillen Augen sein leichtes, taktsicheres, und so verschiedenartiges, so sorgfältig abgetöntes Benehmen gegen die Leute beobachtete. Er sah zu, wie er dem Oberstleutnant und Bezirkskommandanten Herrn von Rinnlingen, welcher beim Abschied betonte, er wisse die Ehre dieses Besuches sehr wohl zu schätzen, mit liebenswürdiger Erschrockenheit einen Augen {691} blick den Arm um die Schulter legte; wie er an anderer Stelle eine ähnliche Bemerkung ruhig und ernst entgegennahm und sie an einer dritten mit einem ironisch übertriebenen Gegenkompliment abwehrte … Alles mit einer formalen Versiertheit des Wortes und der Gebärde, die er ersichtlich gern der Bewunderung seines Sohnes produzierte und von der er sich unterrichtende Wirkung versprach.
    Aber der kleine Johann sah mehr, als er sehen sollte, und seine Augen, diese schüchternen, goldbraunen, bläulich umschatteten Augen beobachteten zu gut. Er sah nicht nur die sichere Liebenswürdigkeit, die sein Vater auf Alle wirken ließ, er sah auch – sah es mit einem seltsamen, quälenden Scharfblick – wie furchtbar schwer sie zu
machen
war, wie sein Vater nach jeder Visite wortkarger und bleicher, mit geschlossenen Augen, deren Lider sich gerötet hatten, in der Wagenecke lehnte, und Entsetzen im Herzen erlebte er es, daß auf der Schwelle des nächsten Hauses eine Maske über ebendieses Gesicht glitt, immer aufs Neue eine plötzliche Elasticität in die Bewegungen ebendieses ermüdeten Körpers kam … Das Auftreten, Reden, Sichbenehmen, Wirken und Handeln unter Menschen, stellte sich dem kleinen Johann nicht als ein naives, natürliches und halb unbewußtes Vertreten praktischer Interessen dar, die man mit Anderen gemein hat und gegen Andere durchsetzen will, sondern als eine Art von Selbstzweck, eine bewußte und künstliche Anstrengung, bei welcher, anstatt der aufrichtigen und einfachen inneren Beteiligung, eine furchtbar schwierige und aufreibende Virtuosität für Haltung und Rückgrat aufkommen mußte. Und bei dem Gedanken, man erwarte, daß auch er dereinst in öffentlichen Versammlungen auftreten und unter dem Druck aller Blicke mit Wort und Gebärde thätig sein sollte, schloß Hanno mit einem Schauder angstvollen Widerstrebens seine Augen …
    Ach, das war die Wirkung nicht, die Thomas Buddenbrook {692} von dem Einfluß seiner Persönlichkeit auf seinen Sohn erhoffte! Unbefangenheit vielmehr, Rücksichtslosigkeit und einen einfachen Sinn für das praktische Leben in ihm zu erwecken, auf nichts Anderes waren all seine Gedanken gerichtet.
    »Du scheinst gern gut zu leben, mein Lieber«, sagte er, wenn Hanno eine zweite Portion Dessert oder eine halbe Tasse Kaffee nach dem Essen erbat … »Da mußt du ein tüchtiger Kaufmann werden und viel Geld verdienen! Willst du das?« Und der kleine Johann antwortete:
    »Ja.«
    Dann und wann, wenn die Familie beim Senator zu Tische gebeten war, und Tante Antonie oder Onkel Christian nach alter Gewohnheit sich über die arme Tante Klothhilde lustig zu machen und in der ihr eigenen langgedehnten und demütig-freundlichen Sprache mit ihr zu reden begannen, so konnte es geschehen, daß Hanno, unter der Einwirkung des unalltäglich schweren Rotweines, einen Augenblick auch seinerseits in diesen Ton geriet und sich mit irgend einer Moquerie an Tante Klothhilde wandte. Dann lachte Thomas Buddenbrook – ein lautes, herzliches, ermunterndes, fast dankbares Lachen, wie ein Mensch, dem eine hoch erfreuliche, heitere Genugthuung zuteil geworden ist, ja, er fing an, seinen Sohn zu unterstützen und selbst in die Neckerei einzustimmen: Und doch hatte er sich eigentlich seit Jahr und Tag dieses Tones gegen die arme Verwandte begeben. Es war so billig, so gänzlich gefahrlos, seine Überlegenheit über die beschränkte, demütige, magere und immer

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