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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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verlas sie viele Male die Zeitungsartikel, in denen, wie zur Zeit des Geschäftsjubiläums, seine Verdienste gefeiert, der unersetzliche Verlust seiner Persönlichkeit beklagt wurde. Sie war im Wohnzimmer zugegen bei allen Condolenz-Visiten, die Gerda im Salon entgegennahm; und die fanden kein Ende, ihre Zahl war Legion. Sie hielt mit verschiedenen Personen Konferenzen ab in Betreff des Begräbnisses, das sich unsäglich vornehm gestalten mußte. Sie arrangierte Abschiedsscenen. Sie ließ das Comptoir-Personal heraufkommen, damit es seinem Chef ein letztes Lebewohl sage. Und dann mußten die Speicherarbeiter kommen. Sie schoben sich auf ihren kolossalen Füßen über das Parket, zogen mit ungeheurer Biederkeit ihre Mundwinkel abwärts und verbreiteten einen Geruch von Branntwein, Kautabak und körperlicher Arbeit. Sie sahen sich die prunkhafte Aufbahrung an, indem sie ihre Mützen drehten, wunderten sich zuerst und langweilten sich dann, bis einer den Mut hatte, wieder aufzubrechen, worauf ihm schlürfend die ganze Schar auf den Fersen folgte … Frau Permaneder war entzückt. Sie behauptete, Mehreren seien die Thränen in die harten Bärte geronnen. Das war einfach nicht wahr. Dergleichen war nicht vorgekommen. Aber wenn sie es doch so gesehen hatte und wenn es sie glücklich machte?
    {762} Und der Tag der Beisetzung kam heran. Der Metallsarg war luftdicht verschlossen und mit Blumen bedeckt, die Kerzen auf den Armleuchtern brannten, das Haus füllte sich mit Menschen, und umgeben von den Leidtragenden, den einheimischen und auswärtigen, stand in aufrechter Majestät Pastor Pringsheim zu Häupten des Sarges, indem er seinen ausdrucksvollen Kopf auf der breiten Halskrause ruhen ließ, wie auf einem Teller.
    Ein hochgeschulter Lohndiener, ein behendes Mittelding zwischen Aufwärter und Festordner, hatte die äußere Leitung der Feierlichkeit übernommen. Er lief, den Cylinder in der Hand, auf leisen Sohlen die Haupttreppe hinunter und rief mit durchdringender Flüsterstimme über die Diele hin, die soeben von Steuerbeamten in Uniform und Kornträgern in Blousen, Kniehosen und Cylindern überflutet wurde: »Die Zimmer sind voll, aber auf dem Korridor ist noch ein wenig Platz …«
    Dann verstummte Alles; Pastor Pringsheim begann zu reden, und sein kunstvolles Organ erfüllte tönend und modulierend das ganze Haus. Während er aber dort oben neben der Christusfigur die Hände vorm Gesicht rang und sie segnend spreizte, hielt drunten vorm Hause unter dem weißen Winterhimmel die vierspännige Leichenkutsche, an die sich die übrigen Wagen in langer Folge die Straße hinab bis zum Flusse reihten. Der Hausthür gegenüber aber stand, Gewehr bei Fuß, in zwei Reihen aufgestellt, eine Kompagnie Soldaten, mit Leutnant von Throta an ihrer Front, welcher, den gezogenen Degen im Arm, mit seinen glühenden Augen zum Erker hinaufblickte … Viele Leute reckten in den Fenstern ringsum und auf dem Pflaster die Hälse.
    Schließlich entstand Bewegung im Vestibül, des Leutnants leise hervorgestoßenes Kommandowort klang auf, die Soldaten präsentierten klappend, Herr von Throta senkte seinen Degen, der Sarg erschien. Von den vier Männern in schwarzen Mänteln {763} und Dreispitzen getragen, schwankte er behutsam zur Hausthür heraus, und der Wind führte den Blumenduft über die Köpfe der Neugierigen hin, indeß er zugleich den schwarzen Federbusch auf dem Dache des Leichenwagens zerzauste, in den Mähnen aller Pferde spielte, die bis zum Flusse hinunter standen, und an den schwarzen Hutschleiern des Trauerkutschers und der Stallknechte zerrte. Einzelne, ganz seltene Schneeflocken kamen in großen, langsamen Bogenlinien vom Himmel herab.
    Die Pferde des Leichenwagens, ganz in Schwarz gehüllt, daß nur die unruhigen Augen sichtbar waren, setzten sich, von den vier schwarzen Knechten geführt, langsam in Bewegung, das Militär schloß sich an, und eine nach der anderen fuhren die übrigen Kutschen vor. Christian Buddenbrook stieg mit dem Pastor in die erste. Der kleine Johann folgte zusammen mit einem wohlgenährt aussehenden Verwandten aus Hamburg. Und langsam, langsam, lang ausgedehnt, betrübt und feierlich, wand sich Thomas Buddenbrooks Leichenzug dahin, während an allen Häusern der Wind mit den auf Halbmast gezogenen Fahnen klatschte … Die Beamtenschaft und die Kornträger schritten zu Fuß.
    Als draußen, über die Wege des Friedhofes hin, der Sarg, gefolgt von der Schar der Leidtragenden, vorbei an Kreuzen, Statuen,

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