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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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ein rücksichtslos phantastisches Abenteuer, in dem Alles in einem dunklen Schein erglühte, das unter Metallen und geheimnisvollen Gluten in den tiefsten und heiligsten Werkstätten der Erde und zugleich in denen der menschlichen Seele spielte, und in dem die Urgewalten der Natur und der Seele auf eine sonderbare Art vermischt, gewandt, gewandelt und geläutert {795} wurden, – geschrieben in einer innerlichen, deutsamen, ein wenig überschwenglichen und sehnsüchtigen Sprache von zarter Leidenschaftlichkeit …
    Hanno kannte diese Geschichte wohl und liebte sie sehr; aber er war jetzt nicht aufgelegt, von Kais Arbeiten oder von Edgar Poe zu sprechen. Er gähnte wieder und seufzte dann, indem er gleichzeitig ein Motiv vor sich hin sang, das er kürzlich am Flügel erfunden hatte. Dies war so seine Gewohnheit. Er pflegte oft zu seufzen, tief aufzuatmen aus dem dringenden Bedürfnis, sein unzulänglich arbeitendes Herz in einen etwas munteren Gang zu bringen, und er hatte sich gewöhnt, das Ausatmen nach einem musikalischen Thema, irgend einem Stück Melodie eigener oder fremder Erfindung, geschehen zu lassen …
    »Siehe, da kommt der liebe Gott!« sagte Kai. »Er lustwandelt in seinem Garten.«
    »Ein netter Garten«, sagte Hanno und geriet ins Lachen. Er lachte nervös und konnte nicht aufhören, hielt sein Taschentuch vor den Mund und blickte darüber hinweg auf Den, welchen Kai als den »lieben Gott« bezeichnet hatte.
    Es war Direktor Doktor Wulicke, der Leiter der Schule, der auf dem Hofe erschienen war: ein außerordentlich langer Mann mit schwarzem Schlapphut, kurzem Vollbart, einem spitzen Bauche, viel zu kurzen Beinkleidern und trichterförmigen Manschetten, die stets sehr unsauber waren. Er ging mit einem Gesicht, das vor Zorn beinahe leidend aussah, schnell über die Steinfliesen, indem er mit ausgestrecktem Arme auf die Pumpe wies … Das Wasser floß! Eine Anzahl Schüler liefen vor ihm her und überstürzten sich, dem Schaden dadurch abzuhelfen, daß sie die Leitung schlossen. Aber auch dann standen sie noch lange und betrachteten mit verstörten Gesichtern abwechselnd die Pumpe und den Direktor, der sich an den mit rotem Antlitz herbeigeeilten Doktor Goldener gewandt hatte {796} und mit tiefer, dumpfer und bewegter Stimme auf ihn einsprach. Seine Rede war mit brummenden und unartikulierten Lippenlauten durchsetzt …
    Dieser Direktor Wulicke war ein furchtbarer Mann. Er war der Nachfolger des jovialen und menschenfreundlichen alten Herrn, unter dessen Regierung Hannos Vater und Onkel studiert hatten, und der bald nach dem Jahre einundsiebenzig gestorben war. Damals war Doktor Wulicke, bislang Professor an einem preußischen Gymnasium, berufen worden, und mit ihm war ein anderer, ein neuer Geist in die alte Schule eingezogen. Wo ehemals die klassische Bildung als ein heiterer Selbstzweck gegolten hatte, den man mit Ruhe, Muße und fröhlichem Idealismus verfolgte, da waren nun die Begriffe Autorität, Pflicht, Macht, Dienst, Carrière zu höchster Würde gelangt, und der »kategorische Imperativ unseres Philosophen Kant« war das Banner, das Direktor Wulicke in jeder Festrede bedrohlich entfaltete. Die Schule war ein Staat im Staate geworden, in dem preußische Dienststrammheit so gewaltig herrschte, daß nicht allein die Lehrer, sondern auch die Schüler sich als Beamte empfanden, die um nichts als ihr Avancement und darum besorgt waren, bei den Machthabern gut angeschrieben zu stehen … Bald nach dem Einzug des neuen Direktors war auch unter den vortrefflichsten hygienischen und ästhetischen Gesichtspunkten mit dem Umbau und der Neueinrichtung der Anstalt begonnen und Alles aufs Glücklichste fertig gestellt worden. Allein es blieb die Frage, ob nicht früher, als weniger Komfort der Neuzeit und ein bißchen mehr Gutmütigkeit, Gemüt, Heiterkeit, Wohlwollen und Behagen in diesen Räumen geherrscht hatte, die Schule ein sympathischeres und segenvolleres Institut gewesen war …
    Was Direktor Wulicke persönlich betraf, so war er von der rätselhaften, zweideutigen, eigensinnigen und eifersüchtigen Schrecklichkeit des alttestamentarischen Gottes. Er war ent {797} setzlich im Lächeln wie im Zorne. Die ungeheure Autorität, die in seinen Händen lag, machte ihn schauerlich launenhaft und unberechenbar. Er war imstande, etwas Scherzhaftes zu sagen und fürchterlich zu werden, wenn man lachte. Keine seiner zitternden Kreaturen wußte Rat, wie man sich ihm gegenüber zu benehmen habe. Es blieb

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